Allgemeines 21.959 Themen, 147.997 Beiträge

News: Vier Jahre Rechtsstreit

Bundesgerichtshof: "Zahnarzt-Ebay" darf weitermachen

Michael Nickles / 49 Antworten / Flachansicht Nickles

Abseits von den gewöhnlichen Produkt-Preisvergleich-Diensten im Internet gibt es auch sehr spezialisierte. Beispielsweise den "Zahnarztkosten"-Vergleicher www.2te-zahnarztmeinung.de, der quasi ein "My-Hammer" beziehungsweise "Ebay" für Zahnarztleistungen ist.

Patienten können dort ihren Behandlungskostenplan einstellen und Zahnärzte können den Preis dann unterbieten. Das passiert alles erst mal anonym, erst wenn sich ein Patient für einen anbietenden Zahnarzt entscheidet, werden die Kontaktdaten ausgetauscht. Die Sache ist für Patienten unverbindlich, sie sind nicht gezwungen irgendein Angebot anzunehmen.

Durch Nutzung des Dienstes sollen Patienten durchschnittlich bis zu 56 Prozent ihres Eigenanteils einsparen können. Profitabel ist die Sache natürlich auch für die Anbieter des Dienstes. Sie kassieren pro Zahnarzt-Deal 20 Prozent der ausgemachten Behandlungskosten.

Die offensichtlich recht praktische Förderung des Wettbewerbs hat zwei bayerischen Zahnärzten allerdings wohl nicht geschmeckt: sie haben den Zahnarzt-Preisvergleicher auf Unterlassung verklagt, weil sie befürchteten, dass er ein wettbewerbswidriges Verhalten der Zahnärzte fördern könnte beziehungsweise sich nicht mit der Berufsethik von Ärzten vereinbaren ließe.

Sowohl das Münchener Landgericht (November 2006) als auch das Oberlandesgericht (März 2008) haben der Klage zugestimmt. Der Bundesgerichtshof hat die beiden Urteile jetzt gekippt und die Klage abgewiesen. Aus seiner Sicht ist es nicht zu beanstanden, wenn ein Patient das Angebot seines Zahnarztes prüfen lässt, sich kostengünstigere Vorschläge machen lässt.

Auch sehen die Richter kein berufsethisches Problem darin, dass Zahnärzte bei erfolgreichem Vertragsabschluss ein Entgelt an den Preisvergleichs-Anbieter entrichten müssen. Probleme konnten auch nicht festgestellt werden.

Schließlich: Die Leistung der Beklagten bestünde nicht in der Zuweisung von Patienten, sondern im Betrieb ihrer Internetplattform, über die Patienten und Zahnärzte miteinander in Kontakt kommen.

Quelle: Pressemitteilung

bei Antwort benachrichtigen
Geiz ist geil! The Wasp
gerhard38 nettineu „Zurück zum Thema. Der Bundesgerichtshof hat, einfach gesagt, Recht gesprochen....“
Optionen

Was du da kritisiert sind grundsätzliche Probleme des Sozial- und Rechtsstaats, das führt m. E. zu weit. Der BW-General wird sicher damit argumentieren, dass er im Vergleich zu einem Manager in der Industrie, der gleich viele Untergebene hat, nur einen Bruchteil verdient, und die günstigen Zahnarzttarife für ihn halt eine freundliche Geste des Gesetzgebers sind. Das ändert aber natürlich nichts an der dramatischen Situation für die Verkäuferin.

Und damit sind wir bei einem neuen Thema: Wie sehr ist der einzelne für seinen Gesundheitszustand selbst verantwortlich? Um es jetzt einmal pointiert zu sagen: In der Schweiz zahlt die Krankenversicherung nichts für Zahnarztkosten, dort ist man der Meinung, dass man selbst Schuld hat, wenn man kariöse Zähne hat (verkürzt ausgedrückt). Und jetzt hängt es von der Sozialgesetzgebung des jeweiligen Landes ab, wie man das sehen will: "Selbst schuld" oder "unverschuldeter Schicksalsschlag" oder allenfalls ein wenig "Mitschuld", und die Einstellung, wenn der teil-schuldige Mensch schon Schmerzen hat und vielleicht sogar seine Zähne verliert, ist er gestraft genug, die Gemeinschaft übernimmt für ihn die Behandlungskosten.

Jedes Modell hat natürlich sofort gewaltige wirtschaftliche Auswirkungen. Dort, wo man selbst verantwortlich ist, wird vermutlich auch mehr Prävention betrieben. Dort, wo man der Auffassung ist, jeder ist nur ein Spielball der Umwelt, ein Opfer der Strukturen, der schlechten Nahrungsmittel, etc. etc., wird man in dem Ausmaß, wie man es sich leisten kann und will, alles auf Gemeinkosten für den Betroffenen erledigen. Und das kannst du jetzt auf deine Verkäuferin aus dem Supermarkt anwenden.

Gerade bei den zahnärztlichen Leistungen gab es schon immer eine gewaltige Spannbreite an Möglichkeiten. Wer die Sozialmedizin in Anspruch nahm, bekam den Zahn plombiert oder gezogen, wer ordentlich löhnte, konnte sich auch eine Jacketkrone machen lassen oder Gold- statt Amalgamfüllungen.

Was mich betrifft: Ich bevorzuge ein System, wo ich auch noch mitentscheiden kann, welche Behandlung ich bekomme. Wenn ich es mir nicht leisten kann oder leisten will, dann lass ich mir den Zahn ziehen.

Unsere Krankenkassenbeiträge sind jetzt schon bei über 15% des Bruttogehalts (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeitrag zusammen). Würde das absolut Beste, was die Medizin auf dem jeweiligen Gebiet zu leisten vermag, grundsätzlich und für alle aus den KV-Beiträgen zu bezahlen sein, würden wir wahrscheinlich bald 50% unseres Gehalts nur für die Krankenversicherung ablegen. ICH will das nicht, ich will mir die Entscheidung vorbehalten, ob ich tatsächlich die Ersparnisse eines Jahres für ein Implantat ausgebe oder lieber für Anderes.

Im Gegensatz zu dir habe ich kein spezielles Bedürfnis, mit einem Zahnarzt auf ein Bier zu gehen, mir ist eine fachlich saubere Leistung zu einem echten Marktpreis wichtiger. Betonung liegt sowohl auf "fachlich saubere Leistung" als auch auf "echter Marktpreis", denn dort, wo es keinen Wettbewerb gibt, weil künstlich die Anzahl der Mitbewerber klein gehalten wird, gibt es auch nur einen verzerrten Markt.

Mir ist schon klar, dass man da behutsam vorgehen muss: Wenn man nämlich schlagartig unreguliert beliebig viele Zahnärzte zulässt, könnte es zunächst zu einer größeren Konkurswelle kommen. Das ist sozial sicher nicht wünschenswert. Auf der anderen Seite besteht die Hoffnung, dass mit dem Wettbewerb auch künftighin nur noch solche Menschen sich für den Zahnarztberuf entscheiden, die darin wirklich ihre Berufung sehen und die ihn auch dann ausüben, wenn sich die Verdienstmöglichkeiten in diesem Beruf recht moderat gestalten. Denn Abcasher, die keine entsprechende Leistung erbringen und nur deshalb abcashen können, weil man ihnen den Wettbewerb weitestgehend ferngehalten hat, will keiner (außer natürlich die Abcasher selbst).

Gruß, Gerhard

bei Antwort benachrichtigen