Download-Dienste und Tauschbörsen 2.606 Themen, 14.829 Beiträge

News: Berufung abgelehnt

Pirate Bay Betreiber hoffen auf Gerichtshof für Menschenrechte

Redaktion / 22 Antworten / Flachansicht Nickles

Nach Ende des Prozesses gegen die Betreiber der Torrent-Seite "The Pirate Bay" wurde bekannt, dass der Richter vermutlich befangen war (siehe Pirate-Bay-Prozess voraussichtlich ungültig), Anhänger der Piraten sprachen von einem Justizskandal.

Anfang Juni wurde die Sache vom obersten Gerichtshof in Schweden untersucht (siehe Pirate Bay Richter war angeblich nicht befangen). Die Forderung der Piraten-Anwälte, den Prozess wegen Befangenheit des Richters zu wiederholen, lief jetzt endgültig ins Leere. Das Oberlandesgericht hat den Prozess für gültig erklärt.

Vom Tisch ist die Sache dennoch nicht: angeblich war auch der Richter befangen, der über die Befangenheit seines Kollegen entscheiden musste. Die Betreiber von "The Pirate Bay" haben jetzt angekündigt mit der Angelegenheit vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen. Überhaupt wird es über den Pirate-Bay-Prozess sicherlich noch jede Menge zu berichten geben.

Denn: sowohl die Angeklagten und Verurteilten als auch die Kläger haben gegen das erste Urteil Berufung eingelegt. Der Medienindustrie ist der Schadensersatz in Höhe von rund 2,75 Millionen Euro nicht hoch genug, die Piraten plädieren unverändert auf unschuldig.

bei Antwort benachrichtigen
kds torsten40 „Ich frage mich, was der ganze Prozess mit Menschenrecht zu tun hat. Es geht hier...“
Optionen

@torsten40

Du wirfst hier zwei verschiedene Verfahren durcheinander.

1. Das Verfahren, in dem es tatsächlich um urheberrechtliche Dinge ging.

2. Das vermutlich erst noch einzuleitende Verfahren, welches die Befangenheit zweier Richter zum Gegenstand haben dürfte.

Nicht zum ersten mal hat der Europäische Gerichtshof für Menschrechte in Verfahrenstechnischen Dingen Entscheidungen getroffen.

Das Recht auf Akteneinsicht für Privatleute, welches früher nur Rechtsanwälten vorbehalten war, geht z.B. mehr oder weniger auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zurück.

Hier mal ein Fallbeispiel (copy and paste):


Akteneinsicht für Beschuldigte
Im Strafverfahren wird die Akteneinsicht dadurch behindert, dass oft nur dem Verteidiger des Beschuldigten die Einsicht in die Akten gestattet wird, dem Beschuldigten selbst jedoch nicht. Somit sind Beschuldigte, um ihr Grundrecht auf Akteneinsicht geltend zu machen, zur Bezahlung eines Rechtsanwalts verpflichtet, selbst wenn der Tatvorwurf haltlos ist. Die Verweigerung der Akteneinsicht berührt jedoch das grundrechtsgleiche Recht auf rechtliches Gehör, denn oftmals ermöglicht erst die Einsicht in die Ermittlungsakte, präzise Antworten zum Tatvorwurf und entsprechende Anträge zu stellen.
Am 18. März 1997 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Fall Foucher vs. Frankreich (Reports 1997-II = NStZ 1998, 426), dass die Verweigerung von Akteneinsicht bei einem nicht durch einen Verteidiger verteidigten Angeklagten gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt (Art. 6 I, III EMRK). Gleichwohl verweigerten deutsche Gerichte weiterhin den Angeklagten die Akteneinsicht. So entschied das Landgericht Mainz im Jahr 1998, obwohl ihm die Entscheidung des EGMR bekannt war, dass mangels gesetzlicher Grundlage [1] dem nicht durch einen Verteidiger verteidigten Angeklagten keine Akteneinsicht zusteht. Daraufhin ergänzte der Bundestag im StVÄG 1999 (BGBl. I 2000 S. 1253) § 147 StPO um auch den Aktenzugang ohne Anwalt zu ermöglichen. Dem Beschuldigten, der keinen Anwalt hat, können nunmehr Auskünfte und Abschriften aus den Akten erteilt werden (§ 147 Abs. 7 StPO).
Schließlich betonte der EGMR in seiner Entscheidung vom 13. März 2003 [2] im Fall Abdullah Öcalan vs. Türkei nochmals, dass das Recht auf Akteneinsicht im Allgemeinen nicht auf Verteidiger beschränkt werden darf. Zumindest jedem Angeklagten müssen die Akten spätestens vor der Hauptverhandlung zugänglich sein. Zwar sind bisher zur Frage der Akteneinsicht durch den Beschuldigten keine Entscheidungen gegen Deutschland ergangen, jedoch ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Rechtsprechung des EGMR auch bei der Anwendung und Auslegung des deutschen Rechtes zu berücksichtigen (BVerfG NJW 2004, 3407).
Auf Grundlage des seit 2000 geltenden § 147 Abs. 7 StPO gewähren daher auch nunmehr auch deutsche Gerichte den Beschuldigten selbst Zugang zu den Akteninhalten durch Kopien oder Einsichtnahmen von Beiakten auf der Geschäftsstelle (vgl. LG Stralsund NStZ-RR 2006, 143).

kds

bei Antwort benachrichtigen