> Das Große Geld wurde mit Singles sowie mit Samplern gemacht (Kuschelrock etc)...
> Hinter den großen Hits in den Charts, verbergen sich viel zu oft lieblose Alben ohne Substanz.
> Die Fixierung auf die Single rächt sich nun.
Ich bin mir nicht sicher, ob das speziell für den deutschen Musikmarkt ein typisches Phänomen ist. Halte ich aber für möglich. Es kommt sehr auf die Musikrichtung an: Je mainstreamiger, desto single-lastiger; je höher der Kunstanspruch, desto album-orientierter.
Unter diesem Blickwinkel muss man auch die Diskussion über legale Downloadangebote der MI und die Tauschbörsen sehen:
> man hätte rechtzeitig selbst diesen neuen Vertriebsweg aufbauen können, den Singlemarkt
> rechtzeitig umstrukturieren und die eigene Preispolitik revidieren können.
> Wäre rechtzeitig eine legale Börse installiert worden, die billig Musik anbietet, hätten in den
> Anfängen des P2p- Booms wohl die meisten dieses Angebot genutzt und sich daran gewöhnt.
Ist sicher richtig... und hat doch einen nicht ganz so angenehmen Beigeschmack. Ich will es mal mit einem Vergleich sagen: Das kommt mir vor, als wenn jemand beim Bäcker nur die Rosinen aus dem Kuchen kaufen will, aber nicht den eigentlichen Kuchen darum herum - der aber keinesfalls weniger wert ist als die Rosinen. Also pult er sich die Rosinen aus dem Kuchen, verlässt den Laden und sagt, "Der Bäcker hat selber schuld, er wollte mir die Rosinen ja nicht verkaufen...". Und der Bäcker reagiert, indem er künftig doch die Rosinen einzeln verkauft - das hätte er mal früher tun sollen :-)
Natürlich gibt es Beispiele, wo man von einem Künstler ein, zwei ganz bestimmte Musiktitel haben will (z.B. einzelne Pop-Perlen aus den Achtzigern), wo man auf ein Album insgesamt aber gut verzichten kann. Noch dazu, wenn sich die "Perlen" auf mehrere Alben verstreuen.
Generell betrachtet fördern Downloadangebote aller Art die von dir zu recht kritisierte Oberflächlichkeit von Menschen im Umgang mit Musik. Der Trend geht zunehmend dahin, ein Album nicht als Gesamtkunstwerk wahrzunehmen, sondern als Sammelsurium von "Liedern" (wie die Leute immer so schön sagen), aus denen man sich die vermeintlich(!) besten herauspicken kann. Die "Besten" - das sind nach dieser Lesart die Titel, die ohne nennenswerte Umwege spontan ins Ohr gehen...
Allerdings ist dieser Zugang zu Musik kein Phänomen "unserer" Generation. Auch unsere Großeltern hatten schon ihre "Wunschkonzerte", wo völlig zusammenhanglos die angeblich "schönsten Opernarien" geschmettert wurden und zwischendurch noch Beethovens "Für Elise", die "Träumerei" von Schumann oder C.M. von Webers "Aufforderung zum Tanz".
Was kaum jemand versteht ist, dass man sich musikalische "Höhepunkte" eben erst erarbeiten muss, um sie richtig würdigen zu können. "Isoldes Liebestod" entfaltet eine völlig andere Wirkung, wenn man sich zuvor durch den gesamten "Tristan" gekämpft hat, als wenn man dieses Stück unvermittelt vor die Füße geworfen bekommt - eingebettet zwischen der "Hebriden-Ouvertüre" und dem "Tanz der Zuckerfee".
Bei manchen Popalben wird ein innerer Zusammenhang durch fließende Übergänge von Titel zu Titel deutlich. Aber auch ohne diesen Fluss kann ein solcher Zusammenhang gegeben sein; von einem guten Album erwarte ich, dass die Macher zuvor den einen oder anderen Gedanken an die Reihenfolge der Titel verschwendet haben. Auch wenn ich es mir nachher mit dem CD-Spieler alles wieder umprogrammieren kann ;-)
Aber die Neigung zum "sich Gedanken machen", nimmt zusehends ab - beim Konsumenten ebenso wie bei der Industrie. Jeder ist gehetzt, alles muss schnell gehen und "irgendwie" fertig werden. Und ganz wichtig: die "Risikostreuung" bzw. -vermeidung. Dass sich das auf die Dauer in Ergebnissen von minderer Qualität niederschlägt, darf niemanden verwundern.
CU
Olaf
P.S. Während ich schreibe, läuft bei mir ein (Doppel-)Album, das die Bezeichnung wirklich verdient... "Drukqs" von Aphex Twin (2001).