Tja, endlich mal ein ein intelligenter und fachkundiger Beitrag zu diesem Thema. Selten sowas. Der Thesenkomplex den Du Da entwickelst, ist zweifellos durchdacht und ich denke nicht daran diesen grundsätzlich widerlegen zu wollen . Ganz im Gegenteil. Du hast die äußerst problematischen Zusammenhänge ( die manchen Juristen in den Wahnsinn treiben können ) aufgedeckt die sich hinter dem Thema : Tauschbörsen vs. MI verbergen.
Hier kann nun, wie ich denke , eine interessante Diskussion beginnen.
Um die Sache mal ein wenig zu differenzieren, ist es meiner Meinung nach zunächst einmal notwendig, die Lage des DEUTSCHEN Musikmarktes von der weltweiten Entwicklung der MI zu entkoppeln. Während die MI auf anderen Märkten ( etwa USA ) inzwischen wieder ein Licht am Ende des Tunnels sieht, ist es um die deutsche MI wirklich schlecht bestellt. Die Umsatzeinbrüche sind noch immer enorm. Nun stellt sich die Frage nach dem Warum. Betrachtet man die deutsche MI über die letzten 10-20 Jahre, so stellt man fest, dass Deutschland ein Singlemarkt war. Das Große Geld wurde mit Singles sowie mit Samplern gemacht ( Kuschelrock etc ). Auf Alben mit Substanz wurde hingegen weniger Wert gelegt. Dies ging bis zur Massenverbreitung des CD- Brenners ( das Aus für klassische Sampler ) sowie dem Siegeszug der P2P- Gemeinde ( das Aus für die Goldgrube Single ) auch gut.
Zumindestens der deutschen MI geht es daher wirklich schlecht. Massenentlassungen stehen an, Köpfe in den Chefebenen rollen, nationale Künstler erhalten reihenweise den blauen Brief, Virgin hat seine Aktivitäten auf dem deutschen Markt eingestellt. Die Mutterkonzerne in den USA sind stocksauer, die Majors in Deutschland müssen nun um ihre Unabhängigkeit fürchten. Soviel zur Situation.
Was Kazaa und Co angeht, hast Du natürlich recht. Wer die Börsen als alleinigen Schuldigen an der Misere bezeichnet, macht es sich viel zu einfach. Die statistischen Erhebungen, die Du erwähnst hast, waren für die MI sehr überraschend und haben in den USA zum Umdenken geführt. Der deutsche MI fällt ein solches Umdenken jedoch sehr viel schwerer. Da man die Deutschen zu Single- Käufern erzogen hat, steht man nun vor dem Problem, dass man legale oder illegale Börsen kaum als Werbeplattform für Alben ( die man dann im Preis radikal senken könnte, wie teilweise in den USA geschehen ) begreifen, bzw. nutzen kann.
Hinter den großen Hits in den Charts, verbergen sich viel zu oft lieblose Alben ohne Substanz. Die Fixierung auf die Single rächt sich nun. Damit ist kaum noch Geld zu machen, mit den Alben aber auch nicht. Der Kunde läßt sich nicht mehr verarschen.
Bei der Zielgruppe zwischen 7- 14 Jahren, deren PC- Zugang von den Eltern wohl auch noch streng kontrolliert wird, klappt das aber immer noch, da traten dann Kübelböck und Co auf den Plan. Die MI verdient nur noch an einem Kindergarten wirklich viel. Ein Armutszeugnis. Du hast recht mit der Aussage, dass sie es dadurch nur noch schlimmer machen. Die Qualität der Musik am Markt sinkt weiter, der Kaufanreiz analog dazu.
Dass Musik hingegen zunehmend als Allgemeingut, für dass man nichts zahlen muß, wahrgenommen wird, ist meiner Meinung nach hingegen nur indirekt die Schuld der MI.
Auslöser sind meiner Ansicht nach ganz klar die Tauschbörsen und schnelle Internetzugänge. Wer alles kostenlos haben kann und dies auch tut, dabei unbehelligt bleibt und dafür nicht etwas soziale Ächtung, sondern wohlwollende Zustimmung erfährt, der verliert schnell das Gefühl für den eigentlichen Wert des Produktes, sowie das Unrechtssbewußtsein ( jeder tut es ja ) .
Dieser Habitus schlägt sich auch im Umgang mit der Musik nieder. Da werden etwa über DSL dutzende Alben gesaugt, aber man entwickelt eine Tendenz zur Oberflächlichkeit. Da man alles haben kann, setzt man sich mit dem Produkt kaum noch ernsthaft auseinander. Oft hört man sich die gesaugten Alben nicht einmal mehr ganz an. Was nicht sofort gefällt, wird gelöscht. Ein weiteres Zeichen dafür, dass das Produkt Musik in den Köpfen an Wert verloren hat.
Indirekt schuld ist die MI deswegen, da sie die Zeichen der Zeit nicht rechtzeitig erkannt hat. Man hätte gegensteuern können. Verhindern hätte man die P2P - Börsen freilich nicht, aber man hätte rechtzeitig selbst diesen neuen Vertriebsweg aufbauen können, den Singlemarkt rechtzeitig umstrukturieren können und die eigene Preispolitik revidieren können.
Wäre rechtzeitig eine legale Börse installiert worden, die billig Musik anbietet, hätten in den Anfängen des P2p- Booms wohl die meisten dieses Angebot genutzt und sich daran gewöhnt.
Nun sind die Fronten festgefahren. Die MI möchte am liebsten jeden kriminalisieren, der Kunde sieht inzwischen im Grunde schon gar nicht mehr ein warum er auch nur 6 € für ein Album ausgeben sollte.
Das Verhalten der P2P - Nutzer ( vorallem der trotzige jetzt-erst-recht habitus ) sehe ich sehe ich als ebenso kritisch an, wie die Reaktion der MI auf diese Herausforderung.
Gruß