Im Zuge der Ermittlungen gegen Kinderpornographie war in jüngster Zeit eine indonesische Website ins Visier der Fahnder gerückt. Die Betreiber konnten nicht ermittelt werden, so hat man kurzerhand 22 Millionen deutsche Kreditkarten gerastert. Die Rechtmäßigkeit dieser Rasterfahndung soll nun festgestellt werden.
Das hat sich der Düsseldorfer Rechtsanwalt Udo Vetter zur Aufgabe gemacht. Er hat vor dem Amtsgericht Halle einen Antrag auf die gerichtliche Überprüfung dieser Aktion gestellt.
Seine Argumente: Ein Anfangsverdacht liege nicht vor. Die bloße Existenz einer Website rechtfertige nicht solch eine Maßnahme.
Es fehlte eine richterliche Genehmigung, wodurch der Richtervorbehalt für Rasterfahndungen umgangen wurde.
Die Rasterfahndung wurde von der Privatwirtschaft durchgeführt. "Wer sagt denn, dass wichtige Kunden oder gar eigene Mitarbeiter nicht aus der Trefferliste gestrichen wurden?".
Ermittelt wurde gegen mutmaßliche Konsumenten von Kinderpornografie. Für diese Straftat beträgt die Höchststrafe zwei Jahre. Zu wenig, weil für die Rasterfahndung eine Straftat von erheblichem Gewicht vorliegen muss.
Ein Vergleich: "Genauso gut könnte man gleichzeitig Razzien vor allen deutschen Hauptbahnhöfen machen und am nächsten Tag verkünden, mit der Festnahme von 50 Abhängigen und zwei Dutzend Kleindealern sei ein großer Schlag gegen den internationalen Drogenhandel gelungen."
Der Horror könnte so weitergehen: "Der nächste Ansatzpunkt wären MP3- und Filmportale, die möglicherweise gegen (deutsches) Urheberrecht verstoßen."
Die Strafprozessordnung sowie das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung seien damit verletzt.
Quelle: Telepolis
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Ich glaub der RA hat gar nicht mal unrecht.
Ob er damit durchkommt ist ne ganz andere Frage, das würde einen zu großen Aufschrei in der Öffentlichkeit geben, wie man schon an den Kommentaren hier bemerkt. Denn wer schätzt heute noch den Rechtsstaat?
Leider verstehen die meisten nicht, was es bedeutet, einen Rechtsstaat zu haben. Es herrscht eher die Vorstellung: "Die Schweine müssen bestraft werden!!" - egal wie, egal mit welchen Mitteln. So sehr man das emotionale Bedürfnis danach hat und so sehr dies nachvollziehbar erscheint, so sehr muß einem auch klar sein, welche Prinzipien man über Bord wirft und wie wertvoll diese Prinzipien sind. Daß wir einen Rechtsstaat haben, ist nicht ohne Grund so.
Ich schätze die meisten hier, würden es auch für in Ordnung halten, wenn jemand gefoltert würde um Informationen zu erhalten, die andere retten könnten. Sowas darf es nicht geben.
Fängt man einmal damit an, relativiert man Prinzipien, die zwar zunächst formal erscheinen, letztlich aber die Garantie für einen materiellen Rechtsstandard bilden. Führt man einmal eine Grenze ein, nach welcher die Rechtsprinzipien nicht mehr gelten sollten -und mag diese Grenze anfangs auch noch so hoch sein- der Fuß ist in der Tür.
Wir haben es immer mit Menschen zu tun, sowohl bei den Tätern, Opfern, Verdächtigen als auch bei den Ermittlern. Niemand von denen ist perfekt, auch nicht die Ermittler. Der Mensch neigt dazu, es sich einfach zu machen. Ermittler werden sich daher bemühen die einmal vorhandene Grenze für ihre Methoden herunterzusetzen, schlimmstenfalls bis sie für Bagatelle eingesetzt werden können - so ist die Vision des Herrn RA zu verstehen. Die Gefahr besteht darin, daß die Rechtsprinzipien nach und nach ihre Geltung verlieren. Das würde den Untergang des Rechtsstaates bedeuten und Willkür die Toren öffnen.
Ein: "Mir kann nichts passieren, ich hab nichts falsch gemacht", darf man aber gerade bei Willkür nicht gelten lassen. Weil darauf kommt es dann gar nicht mehr an. Paßt mir Deine Nase nicht, bist Du raus. Und selbst wenn Deine Nase hübsch ist, könnte sie doch auf den ersten Blick häßlich erscheinen. Du bist zwar unschuldig, wirst aber dennoch gefoltert. Bis dann mal jemand genauer hinsieht. Oder kommt es überhaupt soweit?
Es ist klar, worauf ich hinaus will.
Ich finde es einfach erschreckend, wie unreflektiert mit der Problematik umgegangen wird. Stattdessen baden sich hier viele in trügerischer Gerechtigkeit und lassen den konsequent unkomplizierten Pragmatisten raushängen.