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News: Freibrief für Urheberrechtsverletzung?

Aktuelles Gerichtsurteil: IP-Adressen sind keine Menschen

Michael Nickles / 93 Antworten / Flachansicht Nickles

Beim Internet-Abmahn-Business werden typischerweise IP-Adressen gesammelt, um damit beim Internet-Anbieter die Herausgabe der zugehörigen Personendaten zu erwirken. Dabei ist die  Beweiskraft von IP-Adressen seit geraumer Zeit sehr umstritten, Gerichte urteilen kreuz und quer.

Das Urteil: kurz und bündig.

In den USA gab es jetzt ein unmissverständliches Gerichtsurteil (PDF hier): IP-Adressen sind keine Menschen, entschied eine Richterin in Florida.

Das auf "Erwachsenenfilme" spezialisierten Unternehmen Malibu Media hatte eine Person verklagt, die angeblich Filme illegal über Bittorrent transportiert hat.

Argumente des Klägers, dass er den zu einer IP-Adresse gehörigen Standort zuverlässig ermitteln könne, ließ die Richterin nicht gelten. Auch hatte Malibu Media versichert, man könne Internet-Cafes und öffentliche WLAN-Hotspots ausschließen.

Die Richterin begründete in der Klageabweisung allerdings, dass selbst bei zuverlässiger Ermittlung einer "Privatwohnung", eine IP-Adresse nicht beweist, welche Person sie genutzt hat.

Malibu Media gilt laut der Electronic Frontier Foundation (EEF) als "Copyright Troll" mit aggressiver Vorgehensweise. Im Filmrepertoire  sollen sich viele Werkte mit "beschämenden" Titel befinden, die auf den "Rechnungen" aufgeführt werden. Wer nicht zahlt - egal ob schuldig oder unschuldig  - riskiert also peinliche Folgen.

Michael Nickles meint:

Malibu Media scheint in den USA ein Schwergewicht im Erotik-Film-Massenabmahnungsgeschäft zu sein. Es laufen wohl bereits über 1.000 Verfahren, diverse US-Anwälte werben auf ihren Webpräsenzen damit, Betroffene bei Abmahnungen zu verteidigen.

Wie das jetzige Gerichtsurteil zeigt, scheint es also durchaus eine Chance zu geben. Bereits seit einigen Jahren praktiziert die Erotikfilm-Branche in den USA Massenabmahnungen, die Vorgehensweise ist dabei quasi die gleiche wie bei uns.

Es gilt zu bedenken, dass das in Florida gefällte Gerichtsurteil kein Freibrief für illegale Bittorrent-Nutzung ist - andere Gerichte können anders entscheiden. Und ich vermute mal, dass Malibu Media sich mit allen Kräften gegen Urteile dieser Art wehren wird.

Ich halte das Urteil für richtig, IP-Adressen sind natürlich keine Personen. Andererseits halte ich es jedoch auch für richtig, dass sich Inhaber von Rechten, gegen den Missbrauch ihrer Rechte wehren dürfen. Ob es sich dabei um Musik, Kinofilme oder Erwachseneninhalte handelt, spielt keine Rolle.

Wird die Beweiskraft von IP-Adressen pauschal ausgelöscht, gäbe es (beim aktuellen Stand der Technik) keine Chance mehr, Urheberrechtsverletzungen im Internet verfolgen zu können. Es braucht eine Lösung, die allen Parteien gerecht wird: den Konsumenten und der "Content-Mafia".

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gerhard38 Olaf19 „Naja, das ist in der Tat etwas flapsig formuliert, in der ...“
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Man kann doch nicht billigend in Kauf nehmen, dass Leute unschuldig verurteilt werden, nur weil man "nichts besseres hat".

Wenn du glaubst, es gäbe irgendwo im Rechtssystem einen Platz, wo es nicht zu Fehlurteilen, falschen Gutachten, falschen Zeugenaussagen oder sonst was kommen kann, kurz gesagt, wo es die heile, fehlerfreie Welt gibt, dann verwechselst du eine ausgedachte ideale mit einer realen Welt.

Mit der Argumentation: "da könnte ja irgend ein Fehlurteil passieren", und daraus abzuleiten: "also darf man überhaupt keine Strafverfolgung mehr einleiten, denn es könnte ja unter Umständen einen Unschuldigen erwischen" (weil halt überall dort, wo Menschen am Werk sind, auch Fehler passieren), führt das gesamte Rechtssystem ad absurdum. Es fände auch keine Unterstützung in der Bevölkerung, jede Strafverfolgung einzustellen, denn es könnte ja im Zuge der Ermittlungen zu Fehlern kommen. Mit anderen Worten: Die Bevölkerung in ihrer großen Mehrheit (also demokratisch legitimiert) hat es schon immer akzeptiert (und wird es auf absehbare Zeit weiterhin akzeptieren), dass es unter Umständen auch Fehlurteile geben kann, weil eine Güterabwägung zwischen "vorsichtshalber alle Gauner laufen lassen, denn im Zuge der Strafverfolgung könnte es ja einen Fehler geben und einen Unschuldigen erwischen" und "wir tun unser Bestes, um die wahren Täter zu ermitteln" eindeutig zugunsten der zweiten Option ausfällt.

Wenn man dem dann entgegenhält, "Es gab aber schon Fälle, in denen die Abmahnung eindeutig zu Unrecht ergangen ist", dann ist das ein Totschlagargument, das mit der Suggestion operiert, wir leben in einer idealen Welt und müssten alles tun, um uns diese zu  erhalten. Wir leben aber in einer realen Welt, und wer die Strafverfolgung möglicher Täter ablehnt, nimmt billigend in Kauf, dass die Existenz derjenigen bedroht ist, die von der Herstellung ihrer Produkte (Software, Literatur, Bildmaterial, Film, Musik, ...) und deren Verkauf leben.

In unserem Rechtssystem wurde sehr viel unternommen, um solche Fehler zu vermeiden, oder, wenn sie doch passieren, wieder korrigieren zu können. Dazu gibt es Rechtsanwälte, Konsumentenorganisationen, das Rechtsmittel des Einspruchs und der Berufung, mehrere Gerichtsinstanzen usf. Nur weil das so ist, kann man überhaupt zur Aussage kommen  "Es gab aber schon Fälle, in denen die Abmahnung eindeutig zu Unrecht ergangen ist" - wer oder wie sonst sollte man das Unrechtmäßige einer Abmahnung feststellen können? Nur auf Aussage des Beschuldigten hin "Ich war's nicht!"?

Gruß, Gerhard

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Eben. neanderix