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News: Fünf gehen in die Knie

Zwangsverträge für Kinderporno-Sperren unterschrieben

Redaktion / 52 Antworten / Flachansicht Nickles

Die Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen hat es geschafft. Heute Vormittag haben die ersten fünf deutschen Internet-Anbieter den "Zwangsvertrag" zur Einrichtung der sogenannten "Kinderporno-Sperren" unterzeichnet: Alice/Hansanet, Arcor/Vodafone, Kabel Deutschland, O2, Telekom.

Die Einführung der Sperre wird heftig kritisiert. Die Befürchtung: ist der Zensurmechanismus erstmal gebastelt, dann lässt er sich leicht für beliebige Zensurvorhaben missbrauchen. Inzwischen ist auch längst klar, dass die Sperre sinnlos ist - sie lässt sich sehr simpel umgehen. Auch die Vorfälle im Ausland haben gezeigt, dass "Zensurlisten" heikel sind, weil sie ruckzuck "geklaut" und im Internet veröffentlicht werden.

Interessenten "illegaler Pornografie" haben damit dann Zugang zu einem "idealen Katalog". Auch die deutschen Internet-Anbieter sind sich eigentlich einig darüber, dass die Sperre beim Kampf gegen Kinderpornografie nutzlos ist. Selbst die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat inzwischen grundrechtliche Bedenken wegen der Sperre. Bislang gibt es keinen gesetzlichen Zwang zur Sperre, die fünf Provider haben den Vertrag also "freiwillig" unterzeichnet. Voraussichtlich werden die Zensurmechanismen bereits in wenigen Monaten technisch umgesetzt sein.

Michael Nickles meint: Kampf gegen Kinderpornografie? Ja. Internet-Zensurmechanismen: Nein. Und schon gar nicht derlei lächerliche, wie sie jetzt zusammengeschraubt werden. Am bedenklichsten ist, dass die Zensurlisten "geheim" sind und niemand kontrollieren kann, ob sie korrekt sind.

Und inzwischen geht der Gesetzgeber ja bereits gegen alle vor, die über "geknackte" ausländische Zensurlisten berichten beziehungsweise darauf verlinken (siehe Fall Hausdurchsuchung bei Wikileaks-Domain-Betreiber).

Was jetzt folgen wird, kann man sich an wenigen Fingern abzählen. Sobald die Zensurlisten installiert sind, wird es sicherlich verboten werden darüber zu berichten, wie sich Zensur im Internet austricksen lässt (und wenn es auch noch so lächerlich geht). Dann wird die Zensurliste zügig ausgebaut. Es wird nicht bei "Kinderpornografie" bleiben. Dass auch "illegale" Glückspielseiten weg sollen, wurde ja bereits andiskutiert.

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super beitrag : Crazy Eye
mawe2 Redaktion „Zwangsverträge für Kinderporno-Sperren unterschrieben“
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Es wurde ja in der letzten Zeit schon viel über die Thematik berichtet. Jeder, der einigermaßen über die Prinzipien und Techniken der Internet-Kommunikation bescheid weiß, wird die Sperren umgehen können. Leider wissen viele Menschen (und viele Politiker) viel zu wenig über diese Materie bescheid. Umso schlimmer, dass sie sich dann trotzdem anmaßen, solche Entscheidungen herbeizuführen.

Wenn man beobachtet, mit welch stark ausgeprägter Überzeugung Frau von der Leyen ihre Schneise durch das Feld der Informations- und Kommunikationsfreiheit schlägt, merkt man sehr genau, dass sie nicht wirklich über die Hintergründe Bescheid weiß.

Diese straffe Argumentation (ohne die leisesten Zweifel am eigenen Vorgehen) kann man wirklich nur im Zustand tiefster Unwissenheit vortragen. Sobald man anfängt, sich zu informieren und die Argumente der "Gegenseite" anzuhören, würde die gefährliche Konstruktion der Frau von der Leyen wie ein Kartenhaus zusammenbrechen und das Thema wäre vom Tisch. Sie könnte dann kaum derart überzeugend auftreten, wie sie das jetzt tut.

Also besser: Augen zu und durch.

Leider kann man bei diesem Thema nicht mal darauf hoffen, dass die nächste Wahl eine Besserung der Lage mitbringen könnte. Selbst wenn es der Wählerschaft gelingen würde, geeignete, kompetente Politiker zu wählen, würde sich wohl kein noch so liberaler, weitsichtiger, verfassungstreuer Familienminister (oder Ministerin) dazu durchringen, diesen Vertrag wieder zu kündigen und den verfassungsmäßigen Zustand der Informationsfreiheit wieder herzustellen. Viel zu groß wäre das Risiko, von den Unwissenden als Förderer von Kinderpornografie verstanden zu werden.

Wem jetzt noch an wirklich freier, unzensierter Internetkommunikation gelegen ist, dem bleibt nur noch ein Mittel: Sofort alle Verträge bei den o.g. Unternehmen (mit Bezug auf die Inhaltsfilterung) zu kündigen und zu den (wenigen) standhaften Unternehmen zu wechseln, die sich Frau von der Leyens Diktat (bislang) noch nicht gebeugt haben.

Nur wenn die beteiligten Unternehmen einen signifikaten Umsatzeinbruch aufgrund ihrer Obrigkeitshörigkeit erleiden, werden sie über diese Tatsache nochmal neu nachdenken.

Aber wie schon gesagt: Die Mehrheit weiß nicht, was sie tut. (Viele wissen ja noch nicht mal, dass es auch andere Kommunikationsunternehmen als die Telekom gibt...) Und das wissen die "Großen" der Branche und deswegen brauchen sie sich auch weiterhin keine Sorgen machen.

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