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Schröder - Wieso nimmt ihn keiner beim Wort?

m. mann / 73 Antworten / Flachansicht Nickles

Die Wahl rückt näher, ich lese alte Nachrichten, alte Versprechen, versuche zu vergleichen, was ist versprochen worden, was ist geschehen, was ist umgesetzt worden, was liegt noch immer auf dem Tisch?

Seit ich diese Wahlshow gesehen habe, die am Sonntag in allen möglichen Sendern lief, frage ich mich ernsthaft, wieso Merkel das leider viel zu schwach argumentiert hatte, Schröders Versprechen nochmal vorzubringen und vor allem, ihn beim Wort zu nehmen.

"Wenn wir die Arbeitslosenquote nicht spürbar senken, dann haben wir es nicht verdient, wieder gewählt zu werden", hatte Gerhard Schröder im Dezember 1998 wenige Wochen nach seiner Wahl zum Bundeskanzler erklärt.

Damals betrug die offizielle Arbeitslosenzahl 3,9 Millionen. Im Februar dieses Jahres war sie auf 5,2 Millionen gestiegen.

Ich habe das Gefühl, in der Periode 1998 - 2002 war man damit beschäftigt, sich zu beklagen, was die vorangegangene Regierung alles falsch gemacht hatte, in den darauf folgenden Jahren bzw. in der Periode zog das Beispiel nicht mehr und man versuchte kläglich, Deutschland zu regieren.

Viel ausser sinnlosen Reformen, die den kleinen Bürger Geld gekostet haben (und kosten), ist ja nicht herausgekommen.

Doch genau das ist es doch, was Hr. Schröder Fr. Merkel am Sonntag im TV vorwarf, man gehe den kleinen Bürger ans Leder. Doch frage ich mich, wo bitte, tut Hr. Schröder dies nicht? Tut er es nicht, indem er von uns kleinen Bürgern 10 Euro Praxisgebühr verlangt? Tut er dies nicht, indem er von uns kleinen Bürgern zusätzliche Zuzahlungen für Zahnbehandlungen verlangt? Tut er dies nicht, indem er uns enorme Spritsteuern (unabhängig von der jetzigen Situation in den USA) auferlegt?

Aber er beklagt sich lauthals über 16% MwSt, die den kleinen Mann betreffen.

Doch meine Frage lautete ja weiterhin - wieso nimmt ihn keiner beim Wort? Wieso?

Die Aussage stammt von 1998, er hatte 2002 ja sogar eine erneute nicht verdiente Chance vom Volk bekommen, die er wieder vergeigt hatte. Muss dieser Mensch eine dritte Chance bekommen? Wofür?

Wenn man jetzt fragt, was die derzeitige (noch) Opposition entgegenzusetzen hat, kann man das einfach beantworten: Sie misst sich nicht an leeren Versprechungen.

Und ist es nicht so "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht"? Und das dem mächtigsten Mann Deutschlands (selbstverständlich nach dem Trainer der Deutschen Fussball Nationalmannschaft ;) )?

Ein Mann, der sich offen hinstellt, sich an Äusserungen wie diesen messen will, diese bei weitem nicht erfüllt und dem auch seine Parlamentarier offenbar ja nicht mehr trauen - wieso sollen wir dem trauen?

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Hi Stephan,

gute Idee - lass mal deine Nummer über meine Mailaddy bei Nickles rüberwachsen.

@charlie62, die Herren Gysi und Lafontaine finde ich nicht "egomanischer" oder "maulheldenhafter" als Westerwelle, Fischer, Schröder und so manchen anderen. Was das Durchhaltevermögen angeht: Lafontaine ist als Bundesfinanzminister und Gysi als Berliner Wirtschaftssenator zurückgetreten, weil beide die Politik der jeweiligen Regierung nicht mehr mit ihren Überzeugungen vereinbaren konnten. Das kann man so oder so beurteilen: Die einen sprechen von "Feigheit" und "Kneifen", andere von "Courage" und "Rückgrat". Ich bin mir nicht sicher, wer mit welcher Auffassung recht hat, nur: Mir geht es in erster Linie um politische Richtungen und Inhalte, nicht um Personen. Die Galionsfiguren der Linkspartei bieten nicht mehr und nicht weniger Angriffsflächen als die der anderen Parteien auch - deshalb, lass uns lieber bei den Ideen und Konzepten bleiben, das ist doch viel interessanter.

@M. Mann, volle Zustimmung wg. Praxisgebühr. Der zusätzliche Arbeitsaufwand für die Ärzte plus "Ausfallrisiko", falls mal jemand nicht bezahlen kann, ist schlicht eine Zumutung. Es sind sogar Fälle bekannt geworden, wo Arztpraxen überfallen und ausgeraubt worden sind, wegen der Kasse mit den Praxisgebühren :-(( Unklar bleibt aber, wie du darauf kommst, dass die Linkspartei eine "30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich" fordert. Im Programm steht jedenfalls ganz was anderes, schau mal hier:

http://sozialisten.de/wahlen2005/positionen/wahlprogramm/view_html?zid=28917&bs=1&n=7
http://sozialisten.de/wahlen2005/positionen/in_kuerze/view_html/kuerzeid29081

@ALL Ich bleibe dabei, die Reformen haben viel mehr mit ideologischer Überzeugung als mit praktischer Notwendigkeit zu tun.

Die Deutschen mit ihrem Hang zu Fatalismus und Miesepetrigkeit reden systematisch den eigenen Standort schlecht, um die angebliche Notwendigkeit von Reformen zu rechtfertigen. In Wahrheit sind wir wettbewerbsfähiger als die Polizei erlaubt - so sehr, dass es für unsere europäischen Nachbarn schon fast zum Problem wird:
n-tv zitiert The Economist: Ausländische Investoren loben den Standort Deutschland.

In dem Artikel steht auch, dass die Lohnstückkosten bei uns in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen sind. Damit wird auch das ewige Gejammer über die Lohnnebenkosten zu Makulatur, abgesehen davon dass Lohnnebenkosten ein Kostenfaktor sind wie jeder andere auch. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, dass dieses Thema immer dermaßen hochgespielt wird.

Natürlich werden wir niemals mit dem Lohnniveau von China konkurrieren können - da könnten wir unsere Löhne vierteln, selbst das würde nichts helfen. Das können andere Länder aber auch nicht - trotzdem haben sie nicht die konjunkturellen Probleme wie wir.

Der Wirtschaftsexperte Bert Rürup hat Deutschland in einem Focus-Interview sogar als "Globalisierungsgewinner" bezeichnet. Das Glas ist eben nicht immer halb leer, es ist auch halb voll! Unsere Wirtschaft spürt nicht nur die harte Konkurrenz durch China im Nacken - sie profitiert auch davon, dass sie in China günstig einkaufen kann. Daran hängen auch eine Menge Arbeitsplätze bei uns. Außerdem steigern die Exporte in die westliche Welt die Kaufkraft Chinas, so dass auch die Chinesen in die Lage versetzt werden, mal bei uns kaufen zu können.

Nein, Deutschland ist nach wie vor ein wohlhabendes, um nicht zu sagen reiches Land - der Reichtum wird nur zunehmend ungünstig verteilt. Wer das nicht glaube, googele mal nach "Armutsbericht 2004 Bundesregierung" - da stellt sich Rot-Grün ein verdammt schlechtes Zeugnis aus: In den letzten 7 Jahren der Regierung Schröder ist die Quote derer die unter der Armutsgrenze leben deutlich angestiegen, während eine immer kleiner werdende Handvoll reicher Leute fast die Hälfte der gesamten Privatvermögen besitzt.

Und dann kommt ein Herr Kirchhof und will allen Ernstes die Steuerprogression weitgehend abschaffen (25% für alle Einkommen über 20.000 Euro). Im Klartext: Ein weit unter dem Bevölkerungsdurchschnitt verdienender Arbeitnehmer zahlt dann ebenso 25% Steuern wie ein Großverdiener. Da ist der Abbau der Abschreibungsmöglichkeiten ein verdammt schwacher Trost, zumal davon auch Schichtarbeiter und Krankenschwestern (Nacht- und Feiertagszulagen) betroffen sind.

Daran, dass eine schrumpfende Anzahl Beitragszahler eine wachsende Anzahl Rentner mit durchziehen muss, kann keine Reform der Welt etwas ändern. Eine Umschichtung vom traditionellen Umlageverfahren auf das Kapitaldeckungsverfahren (= private Vorsorge) hilft jedenfalls nicht weiter, im Gegenteil: Das Kapitaldeckungsverfahren ist in der Verwaltung weit mehr als doppelt so teuer. Das ist also keine Lösung des Problems.

Längere Lebensarbeitszeiten, damit die Beitragszahler länger einzahlen und die Renter kürzer Rente beziehen: Könnte funktionieren, wenn denn Arbeitsplätze für die älteren Arbeitnehmer da wären. Wenn diese Arbeitsplätze aber nicht da sind, dann nützt es auch nichts, jetzt mehr Kinder in die Welt zu setzen - im Gegenteil, die würden dann Sozialhilfe kassieren, anstatt als Arbeitnehmer in die Rentenkasse einzuzahlen.

Sollte der Kindermangel von heute tatsächlich zu einem Arbeitskräftemangel von morgen führen, bliebe immer noch die Möglichkeit, Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuwerben - es gibt genug Menschen auf der Welt, die sich alle 10 Finger danach lecken würden, in D zu leben und zu arbeiten.

CU
Olaf

"Das sind Leute, die von Tuten und Ahnung keine Blasen haben" (ein Reporter auf die Frage nach der politischen Bildung des typischen Anhangs von Donald Trump)
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Schlusspunkt Olaf19
Olaf 19 charlie62