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Deutschland im Jahre 2013

Tilo Nachdenklich / 11 Antworten / Flachansicht Nickles

"2013, im Jahr der Veränderung, werden wir dann nach dem Gesundheitsprämienkopfpauschalenlohnnebenkostenermäßigungsmodell krankenversichert sein. Die in Iran an der Seite Amerikas kämpfenden Bundeswehrsoldaten werden ihre Einkommenssteuererklärung auf einem per SMS zugesandten Bierdeckel machen können."
Textprobe aus:
www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/451/56395/6/
Den Hinweis auf dieses wunderschöne Stück Prosa, habe ich im Heise-Politikforum gefunden.

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@AsH Olaf19
ThomasS Tilo Nachdenklich „Deutschland im Jahre 2013“
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Die Neoliberalisierung der SPD und die Einheitspartei in gelb, schwarz, rot, nur seinerzeit noch ohne grün, hat doch schon in den 70er Jahren unter Helmut Schmidt begonnen.
Das "soziale Netz" übenahmen die Sozialliberalen im übrigen von ihren konservativen Vorgängern der CDU/CSU, obwohl Sozialdemokraten gern behaupten, dass sie als traditionelle Arbeitnehmerpartei den Sozialstaat zu einem solchen gemacht hätten und die einzigen Garanten des sozialen Friedens seien.

Aus der Regierungserklärung am 17. Mai 1974

"Unter den geänderten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen müsse man sich jetzt aber "in Realismus und Nüchternheit" auf das Wesentliche, auf das, was aktuell notwendig sei, konzentrieren und Anderes beiseite lassen."

Wirtschaftliche Krisenanzeichen hatten aus dem Programm der "umfassenden Reformen" die sozialdemokratische Diskussion der "machbaren Reformen", der "Reform der Reform" und der "Reformen, die nichts kosten", werden lassen. Der ideologische Idealismus des sozialliberalen Staatsprogramms: "sozialer, gerechter, mehr Wohlstand...", relativierte sich ganz selbstverständlich an den "Staatsnotwendigkeiten". Der "Gesinnungstäter" Willy Brandt hatte seine Aufgabe (für die Partei) als Kanzler getan, die obersten Parteigenossen hielten den Wechsel zu einem sog. Pragmatiker für notwendig. Der Anlass stellte sich 1974 ein, weil Willy Brandt sich die Zufuhr von "frischen Miezen" in seine Sonderzüge ausgerechnet von einem Spion hatte bewerkstelligen lassen.

Unübersehbar war die Absichtserklärung, dass fehlendes Wirtschaftswachstum und erweiterte Staatsausgaben auf jeden Fall zu Lasten der von Arbeit, Rente und Arbeitslosengeld lebenden Bürger gehen muss. Ungefähr seit 1976 schon stiegen die Beiträge zur Arbeitslosen-, Renten- und Krankenversicherung in steter Regelmässigkeit und sanken die "Leistungen" des Staats aus diesen Versicherungen dementsprechend. Aber nicht deshalb kam der "Rentenbetrug" 1976/77 zu politischen Ehren, sondern weil Helmut Schmidt vor der Wahl nicht gesagt hatte, was er natürlich erst nach der Wahl entdeckt (wissen?) haben wollte (die sich schon damals auftuenden Defizite der Sozialkassen). "Kostendämpfung" bei Gesundheit, bei den Renten, bei den Arbeitslosen waren die Reformen der nächsten Jahre. Der vielgelobte Schutz der Alten, Kranken und Arbeitslosen wurde gerade da zusammengestrichen, wo die Betroffenen ihn gerade und mehr denn je gebraucht hätten. Die letzten Jahre der Regierung Schmidt/Genscher waren ein einziges Sparprogramm für das Volk, während die Preise für alle Grundbedürfnisse munter stiegen. "Mieterschutz" endete in "Vermieterhilfe".

Die Sicherheit, die Staatsverschuldung hochzutreiben, bekam die SPD durch die Mitwirkung der FDP-Wirtschaftsminister Friedrichs und von Lambsdorff. Die "staatlichen Kreditzettel" haben die tolle Eigenschaft, reales Geld in die Staatskassen fliessen zu lassen und gleichzeitig als fiktives Kapital die Grundlage für blühende Geschäfte und Gewinne der Wirtschaft zu bilden. Dadurch konnten schon damals deutsche Kapitalisten akkumulieren, rationalisieren und hohe Gewinne abschöpfen mit der Argumentation die BRD-Wirtschaft international konkurrenzfähig zu halten. Die "Profite" sind genauso gestiegen wie die "Arbeitslosenzahlen". Der stillschweigende Beschluss der westlichen Industriestaaten, sich des jeweiligen Nationalkredits auch dann uneingeschränkt weiter zu bedienen, wenn die Überakkumulation von Kapital und die ihr folgenden Krisensymptome für jederman offensichtlich wurden, wurde von der Schmidt Regierung höchst erfolgreich in die Tat umgesetzt. Mit über 2 Mio. Arbeitslosen, ständigen Senkungen des Reallohns und der "Enttabuisierung des sozialen Netzes" wurden die nicht entlassenen westdeutschen Arbeiter schon damals mit der gleichen Argumentation wie heute von der Schröder-Regierung zu "vermehrtem Einsatz für weniger Geld" gezwungen, um die nationale und internationale "Konkurenzfähigkeit" zu erhalten. Die SPD hat schon zu dieser Zeit kaum mehr etwas mit einer "arbeitnehmer-orientierten Volkspartei" gemein gehabt.

Und diese Entwicklung der Neoliberalisierung wurde bereits 1974! unter Helmut Schmidt eingeleitet. Schröder beschreitet nur konsequent diesen Weg weiter; der, wie man heute nur um so deutlicher erkennen kann, in einer garantierten Sackgasse enden wird.

Das gilt meines Erachtens für die gesammte "neoliberale Einheitspartei in gelb, schwarz, rot und grün".

Grüsse, ThomasS

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