Im Bezug auf "Grenzen ausloten" erlaube ich mir mal einen nachdenkenswerten artikelkomentar von dort zu "klauen" und hier reinzustellen:
Möge DAS hoffentlich nur Fiktion einer klugen/scharfsinnig denkenden Kommentiererin sein und auch bleiben!!
Als Michael und Sarah, wie immer in schwarzen Jeans und einem grauen
Hemd, gemeinsan in ihre Hütte gingen, hielten sie die Münzen in ihren
Händen so fest wie ein Krüppel seine Krücke. Die Münzen bedeuteten
nicht nur Geld, sie bedeuteten Selbstbestimmung, Halt. Michael warf
einen prüfenden Blick in den Spiegel um zu sehen, ob sein Haar auch
saß. Er war nicht eitel, im Gegenteil, aber er wusste, wenn ihn sein
Ruf erreichte, dann hatte er nur 3 Minuten um bereit zu sein. 3
Minuten um die Hütte zu verlassen, sich zu kämmen, bei der
"Shirt-on-Demand"-Stelle vorbei zu schauen und das graue Hemd gegen
ein blendendweißes zu tauschen, dieses anzuziehen und dann bei seinem
"Work Office Leader" vorstellig zu werden.
Michael war einer der vielen WODs, Workers on Demand. Früher hatte
dies einmal in Form von Zeitarbeit existiert, mit Arbeitsverträgen,
Kündigungsfristen etc.
Aber seit die Wirtschaft mehr und mehr absackte, war es Zeit für eine
Reform gewesen. Auf den Work Offices, den früheren Arbeitsämtern,
waren "Human Ressources Distributing Services" geworden, die an den
Peripherien der Städte und Orten angesiedelt wurden. Eine hohe Mauer
umgab die HRDS-Gebäude nach hinten hinaus, unüberwindbar. Zwischen
der Rückseite der HRDS und der Mauer waren die "Human Ressources" in
kleinen bequemen Hütten untergebracht, die ihnen den gröstmöglichen
Komfort boten, wie es das "Office for Human Society" ausdrückte.
Neben Bett, Schrank, einer kleinen Küche sowie Toilette und Dusche
gab es pro Monat ein Buch und alle 2 Wochen wurde ein pädagogisch
wichtiger Film in der großen Arena gezeigt. Die Anwesenheit war
Pflicht, Nichtanwesenheit führte zu Leistungsentzug, dreimalige
Nichtanwesenheit führte zu pädagogischen Maßnahmen. Dafür hatte man
in Orts- und Stadtmitten kleine "Demonstration Devices" angebracht,
an die man denjenigen festschnallte, der sich geweigert hatte, sich
"trotz der Tatsache, dass er Leistungen von Seiten des Staates bezog
bürgergerecht zu benehmen".
Michael und Sarah waren jeweils mit einem kleinen Empfänger
ausgerüstet, den man ihnen als, ähnlich einem Cochlean-Implantat,
eingesetzt hatte. Wurde einer von ihnen benötigt, so wurde er schnell
und einfach über den bevorstehenden Einsatz informiert, indem er
einen kurzen Nervenimpuls erhielt.
Michael und Sarah waren seit Michaels Firma in Konkurs gegangen war,
Workers on Demand. Von Toilettenputzen über Spargelstechen,
Äpfelernten, Hundekot entfernen bis hin zum Testen von neuen
Medikamenten hatten sie bereits eine breite Palette von Einsätzen
hinter sich.
"Es reicht." sagte Sarah und zählte die Münzen, die sie bekommen
hatte.
Um ihnen das Gefühl der Unabhängigkeit zu geben, wurden die
Arbeitseinsätze nicht nur mit einem Care-Päckchen vergolten, das
neben Toilettenpapier, Lebensmitteln und ein paar Hygieneartikeln wie
Deo und Seife auch immer einen aktuellen Artikel darüber enthielt,
wie wichtig die Workers on Demand für eine funktionierende Wirtschaft
waren, auch mit einem symbolischen Betrag in Höhe von einem Euro pro
Einsatz belohnt. Während außerhalb des Human Ressources Camp der Euro
längst durch den Worldo abgelöst worden war, konnten die Human
Ressources sich innerhalb der Camps für das Geld Dinge wie
Lebensmittel, Hygieneartikel, die das Carepaket nicht enthielt wie
z.B. Wattestäbchen oder ab und an einmal eine Duschlotion, kaufen.
Was man im Human Ressources Distributing Office jedoch nicht wusste,
war, dass es noch jemanden gab, der Euro annahm. Jemanden außerhalb
der Camps. Schon für 10.000 Euro bot er eine außergewöhnliche
Dienstleistung an und Michael und Sarah hatten lange genug gehungert,
hatten auf Duschlotion genauso verzichtet wie auf ein buntes Bild für
die Wand, eine Einweg-CD oder ähnliches. Sie hatten die 10.000 Euro
zusammen und an ihren sonst so trostlosen Gesichtern konnte man ihre
Freude und Erleichterung darüber sehen.
Michael und Sarah lächelten in die Kamera, die ihre Hütte 24 Stunden
am Tag kontrollierte um zu sehen, ob sie sich auch gesetzeskonform
verhielten.
Ausgenommen war nur die Toilette, die so klein war, dass man wirklich
nichts anderes dort tun konnte als sein Geschäft zu verrichten.
Als sie gleichzeitig wegen des hereinkommenden Signals
zusammenzuckten und sich an ihre Ohren griffen (als ob der Schmerz
dadurch schneller weggehen würde), lächelten sie wieder und diesmal
war es ein echtes Lächeln.
Kämmen, Hemden wechseln, schnell die Schuhe anziehen, lächeln...
Pünktlich standen sie vor dem Distributing Manager, der ihnen ihren
Arbeitsauftrag mitteilte. Sie rannten los, nicht zu schnell damit sie
nicht etwa schwitzten, aber doch schnell genug um pünktlich
anzukommen.
"Es ist in Hütte 2033" sagten sie dem Mann, der sie schon erwartete.
Er nickte. Er war derjenige, der die Hütten, wenn einer der Human
Ressources starb, aus hygienischen Gründen entfernte, den Boden mit
Desinfektionsmitteln behandelte und eine neue Hütte aufstellte. Die
Distributing Manager vertrauten ihm voll und ganz, denn er machte
seine Arbeit gut und schnell.
Michael und Sarah erledigten ihren Arbeitseinsatz bei ihm und liefen
zurück zu ihrer Hütte, gaben das Hemd ab, nahmen ihren Euro in
Empfang.
Sarah ging zu dem Luxury-Shop und kaufte für sie beide von dem
überschüssigen Euro ein kleines Bild, das eine Sonne zeigte.
Dann legten sie sich beide auf ihr Bett und hielten sich an den
Händen während die Tabletten, die ihnen der Desinfection Manager
gegeben hatte, zu wirken begonnen.
"Was für eine Schweinerei." sagte der Distributing Manager als er am
nächsten Morgen die Leichen entdeckte. Der Desinfection Manager kam
und kümmerte sich um die Hütte. Die 10.000 Euro, die Michael und
Sarah in ihrer Toilette versteckt hatten, nahm er mit. Da draußen gab
es viele Möglichkeiten, 10.000 Euro gegen 10 Worldo zu tauschen. Und
10 Worldo waren immerhin eine Menge Geld. Und es gab so viele Human
Ressources, die nicht mehr konnten, die aber dennoch nie der
Kontrolle entgehen konnten, die niemals das tun konnten, was sie sich
am meisten wünschten. Sein "Death on Demand" machte sich bezahlt.
Quelle:
Twister, Bettina Winsemann, twister@stop1984.com