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Ist die Hohmann-Rede antisemitisch?

Tilo Nachdenklich / 44 Antworten / Flachansicht Nickles

Die Rede findet sich hier:
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/15978/1.html

Sicherlich nicht so sehr, jedenfalls vordergründig beim Schräglesen. Es kommen zwar heftige Anklagen gegen Teile der Juden (Bolschewiken, ungläubige), aber er bekennt sich auch unablässig (!) zur deutschen Schuld den Juden gegenüber. Um dann feststellen zu können, die ständige Erinnerung daran sei doch etwas sehr Schädliches. Wenn seine Rede hier schon ein wenig infam ist, was werden wir dann wohl noch finden? Schauen wir mal an, wie er vorgeht.

Zunächst redet er ziemlich durcheinander. Vom Kalifen von Köln, von Miami-Rolf, von Viagra für Sozialhilfeempfänger (die Leute sind wohl grundsätzlich Schuldige). Seine Rede zum Judenthema ist zwar nicht per Argumentation, aber doch per Nebeneinanderstellung mit dem Schmarotzer-Thema verwoben - das kennen wir, nur eben in der direkteren Variante, aus der Nazizeit.

Er bekämpft dann noch Eigennutz und Anspruchsdenken nicht nur bei Sozialhilfeempfängern, nein er vergisst nicht einmal skandalöse Managerabfindungen. Wäre er doch bei diesem Thema geblieben, aber er hat gerechtes Lamento auf seinem Plan stehen, denn es gibt nicht nur Anspruchsdenken, nein es gibt eben auch ungerechte Belastungen!
Er hat da Probleme ausgemacht, interessanter Weise um zu lamentieren. Wie man das politisch besser gedreht bekommt, weiß er nicht, außer vielleicht einfach nix mehr zu zahlen. Wehklagen an ein ungerechtes Schicksal, nebenbei, das war Hitlers wichtigste Rethorikfigur!
1) Zahlungen an die EU
2) Deutsche Zwangsarbeiter wurden nie entschädigt???? Rethorisch richtig trixi: Ob Deutschland für diese Faschismusfolge gegenüber seinen Bürgern selber eingetreten ist, wird nicht behandelt. Vielmehr wird auf ausländische Regierungen abgehoben...obwohl die Länder ihre Kriegsschäden nur bruchstückhaft ersetzt bekamen.
3) "Ist die Bundesregierung angesichts der Wirtschaftsentwicklung und des Rückgangs der Steuereinnahmen bereit, ihre Entschädigungszahlungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz (also an - vor allem jüdische - Opfer des Nationalsozialismus) der gesunkenen Leistungsfähigkeit des deutschen Staates anzupassen? Die Antwort war: Nein, der Respekt vor dem damaligen Leiden dieser Menschen gebiete, das Entschädigungsniveau uneingeschränkt aufrechtzuerhalten. "

Seine Schlussfolgerung: Der deutsche Staat sollte vor allen Dingen für die eigenen Bürger da sein. Warum ist das nicht so? Es liegt an der Geschichte. Eben an Hitlers Untaten und dass diesen Untaten immer noch zu vielzuviel Raum eingeräumt wird. Er zitiert Olaf Henkel: "Unsere Erbsünde lähmt das Land."
Hier bahnt sich also an, was später als Argumentation rauskommt. Weil die Juden nicht verzeihen können, kommt das Land nicht in Schwung. Die abgewürgte Konjunktur hat mit den Juden zu tun, die nicht vergessen können.

"Der Rest der Welt hat sich hingegen in der Rolle der Unschuldslämmer - jedenfalls der relativen Unschuldslämmer - bestens eingerichtet." Während bei uns Hinterfragen, das Kritisieren, das Entlarven angesagt ist. Dann knöpft er sich noch Goldhagen vor, naja.

Er schimpft noch ein bisschen auf die NPD und Hitler - kann man ja auch verlangen - um dann überzuleiten: "Nicht die braunen Horden, die sich unter den Symbolen des Guten (?) sammeln, machen tiefe Sorgen. Schwere Sorgen macht eine allgegenwärtige Mutzerstörung im nationalen Selbstbewusstsein, die durch Hitlers Nachwirkungen ausgelöst wurde." (Fragezeichen von mir eingefügt)
Dass wir ein Tätervolk sind, lähmt den Mut.

Nach der bisherigen rethorischen Einstimmung - immerhin mehr als die Hälfte der Rede - kommt jetzt ne rethorische Keule zum Einsatz, wie man sie nicht alle Tage hört:
"Auf diesem Hintergrund stelle ich die provozierende Frage: Gibt es auch beim jüdischen Volk, das wir ausschließlich in der Opferrolle wahrnehmen, eine dunkle Seite in der neueren Geschichte oder waren Juden ausschließlich die Opfer, die Leidtragenden?"

Und da hat er Henry Ford ausgemacht, den mit der Tin Lizzy, der weiß die Antwort.
"Er (Henry) vermeinte, einen "alljüdischen Stempel auf dem roten Russland" ausmachen zu können wo damals die bolschewistische Revolution tobte. Er bezeichnete die Juden in "hervorragendem Maße" als "Revolutionsmacher"."
Auch um andere Zitate ist er nicht verlegen:
"Der Sozialismus ist eine jüdische Idee ... Jahrtausende predigten unsere Weisen den Sozialismus."
Leider, leider vergisst Hohmann dabei, dass alle Religionen Sozialismus-Elemente enthalten, da knabbert selbst die CSU gelegentlich ratlos dran rum. Man muss sagen an dieser Stelle hat er sich doch so einseitig auf die Juden eingeschossen, dass es in Zukunft nicht mehr zum Spitzenpolitiker reichen wird.
Nun zählt er Prozentsätze von Juden auf (erschreckend hoch), bei SPD und KPs und vergisst, dass jüdische Intellektuelle sowie so überall dort überrepräsentativ vertreten waren, wo man mit gedanklicher Beweglichkeit noch was werden konnte, Beziehungen oder Abstammung nicht allein den Karriereweg ebneten.
Jetzt kommt der Zarenmord, die Münchener Räterepublik (da unten gibt es ja noch immer diese anarchistischen Biergärten).
"Auch die Ende April 1919 von Rotgardisten durchgeführte Erschießung von sieben Mitgliedern der "Thule-Gesellschaft", die in enger Verbindung zur späteren NSDAP stand, zeigt die Entschlossenheit des revolutionären Prozesses." Zu wenig Entschlossenheit werden andere Leute als Hohmann meinen, schade dass nicht die gesamte Thule-Gesellschaft samt NSDAP weggeputzt wurde, aber Hohmann findet nun mal Mord ist Mord und zeige mörderische Gesinnung, wer kann sich so simpler Logik entziehen? Denn diese Tschekisten haben auch noch viele Kirchenleute getötet. Schließlich stellt er noch fest, dass nicht-religiöse Juden (Trotzki) religiöse Juden gemordet haben. Da sieht er das Grundproblem, den Unglauben. (Nebenbei, Hitler meinte jede große Idee hätte sich durch religiösen Fanatismus ausgezeichnet.)
Am Anfang dieser Argumentationslinie hatte er zwar noch die jüdische Religion für sozialistische Ideen verantwortlich gemacht, aber wirklich schlimm sind die anti-religiösen Juden. Doch was nun, Schluss mit der Differenzierung die kein klares Bild ergibt, zum rethorischen Redeschluss kommt nun mal der ganzheitliche Rundschlag.
"Daher könnte man Juden mit einiger Berechtigung als "Tätervolk" bezeichnen. Das mag erschreckend klingen. Es würde aber der gleichen Logik folgen, mit der man Deutsche als Tätervolk bezeichnet." Na mit der Logik steht Hohmann eben auf Kriegsfuß. Mord = Täter. Eine Ideologie, die alle Juden vernichten wollte (also etwas, das noch erschreckender ist, als Mord aus niederen Beweggründen oder abgestürzten Idealen) kommt in dieser eindimensional-zurechtgestutzten Logik nicht vor.

Nach all den grausigen Erkenntnissen folgt nun nicht der gerechte Zorn, kein Progromaufruf, ja nicht einmal etwas Bedenkenswertes oder ein Zukunftsprojekt, sondern positives Denken pur, in brutaler Schlichtheit:
"Unser Leitspruch sei: Gerechtigkeit für Deutschland, Gerechtigkeit für Deutsche."
"Mit Gott in eine gute Zukunft besonders für unser deutsches Vaterland!" Ähnlich im Tonfall wird die Mehrheit aller Nazireden geendet haben.






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@swiftgoon Achmed
Noch was wichtiges! Achmed
Hoi Tilo Moonsoon
Twili Tilo Nachdenklich „Ist die Hohmann-Rede antisemitisch?“
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Hallo zusammen

Ich würde gerne mal einen anderen Aspekt ansprechen. Klar hat er auf den Gefühlen der jüdischen Opfer mit Geschick herumgetrampelt, weist antisemitsche Tendenzen auf usw., das ist klar...

...aber ich behaupte, dass es darum gar nicht geht. Es geht nicht um die Juden, die sind nur ein zufälliges Opfer und hätten wir Franzosen in die Gaskammern geschickt, hätte er die französische Revolution herausgekramt, nein, ich denke es geht um etwas anderes.

Deutschland befindet sich in einer Umbruchphase. Während wir früher politisch und wirtschaftlich bereits sehr wichtig waren, aber gleichzeitig immer sehr vorsichtig sein mussten, ist das heute nicht mehr so. Wir sind *Deutschland*, geeint, grösste Bevölkerung Europas, geachtet und respektiert in der Welt, politisch und wirtschaftlich eines der Schwergewichte, bald vielleicht ständiges Sicherheitsratmitglied, haben uns mit 10 Mrd von künftigen Zwangsarbeiter-Prozessen losgekauft, setzen uns in der Frage nach dem Standort des Mahnmals gegen die Opfer durch und bauen es lieber bei uns, haben Tausende von Soldaten ständig in allen Herren Ländern als Besatzungs- und Hilfskräfte, haben bald ein euphemistisch "Parlaments-Beteiligungs-Gesetz" genanntes Regelwerk, das die Regierung schneller und problemloser erlaubt zu entscheiden wie und wo "humanitäre Hilfe" mit Waffengewalt geleistet wird (haben wir da irgendwelche grösseren Pläne? Wofür braucht man so ein Gesetz??) und unser künftiger brutalstmöglicher Bundeskanzler Roland Koch träumt von einem deutschen Flugzeugträger...

...ob es uns gefällt oder nicht, wir sind wieder wer. Ja, im Ernst. Deutschland geht als unabhängiges Land und Global Player in die Zukunft, kann sich Dinge trauen (und tut sie), die vor 10 Jahren noch für einen Aufschrei in der Welt gesorgt hätten und dieser Ballast aus dem letzten Jahrhundert steht dabei im Weg. Mit Recht, wie ich finde, aber man fragt mich nicht.

Während die ganze Welt Deutschland zuschaut und sich wundert, dass Patriotismus bei uns ein Verbrechen ist und dass sich Deutschland schämt bei der Einweihung des Bundeskanzleramts die Hymne zu spielen, während in Amiland Tarnkappenbomber über das Superbowlstadion fliegen und General Schwarzkopf unten salutiert, versuchen starke Kräfte in Deutschland Normalität einzuführen. Aus Gründen der Staatsraison ist das auch logisch. Natürlich ist die "Täterschaft" ein Problem, wenn man gleichberechtigt Handel treiben will (unter Umständen reicht ein französisches "ach so, jetzt kriegen die Deutschen die russischen Ölquellen ja doch noch" aus, um normalen Handelsgeschäften einen fahlen Beigeschmack beizumischen. Wir sind angreifbar, denn wir waren die Bösen. Und am schlimmsten ist es, wenn es ums Militär geht. Jedes Land hat ein Heer, dass die Interessen seines Landes vertritt. Je grösser ein Land ist, desto grösser ist die Chance darauf, dass es auch ausserhalb der eigenen Grenzen Interessen wittert. Das ist bei Deutschland genauso, aber man muss halt aufpassen. Deshalb hiess es 1998 nicht in den Zeitungen "Deutsche Stiefel marschieren wieder auf dem Balkan" sondern "Nie wieder Auschwitz". So kann man eine Zeit lang herummanipulieren, nur letztlich reicht das nicht. Eine permanente Lösung muss herbei. Also ziehen wir doch einfach einen Schlussstrich.

Natürlich kommt auch gerade bei Hohmann eine Menge mehr hinzu, auch seine religiösen Gefühle dürfen meiner Meinung nicht ignoriert werden, genauso wie seine antisemitischen Einstellungen, aber dieser Aspekt hier ist meines Wissens noch nicht erwähnt worden. Auch wenn man in den Zeitungen im Allgemeinen nur über amerikanische "Think-Tanks" liest, die gibts natürlich auch in Deutschland. Und ich denke auch, dass es deshalb niemandem in der CDU aufgestossen hatte... die sind durchaus dieser Meinung, das zieht sich durch alle Parteien. Klar, Deutschland muss nach dem Wegfall der Sowjetunion und der Wiedervereinigung seinen Weg machen und nur weil man für die Staatsraison auf ein paar jüdische Füsse tritt.... hey, wir bleiben natürlich gaaanz eng mit Israel verbunden und ausserdem bauen wir noch ein paar Mahnmale, so könnte ich mir deren Gedankengang vorstellen. Das ist nicht antisemitisch. Das ist einfach nur zukunftsdeutsch.

Wir sind wieder wer. Schade.

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