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News: Evan Blass will nicht mehr betteln

Berühmter Technik-Blogger gibt wegen Anzeigenblocker auf

Michael Nickles / 82 Antworten / Flachansicht Nickles

Geheime Vorabinformationen über neue Produkte wandern rasend schnell ins Netz. Die Quellen, von denen diese vertraulichen Informationen stammen, sind begrenzt. Der bekannte Technik-Blogger Evan Blass hat lange Zeit recht zuverlässig unter anderem über noch nicht öffentliche Dinge von Smartphone- und Tablet-Herstellern informiert.

Jetzt hat der bei Herstellern selbsterklärend eher unbeliebte Whisteblower das Handtuch geworfen. Über seinen Twitter-Feed ließ er verlauten:

"All good things must come to an end. Thank you for an amazing two years. [RETIREMENT]"
("Alle guten Dinge haben mal ein Ende. Danke Euch für zwei fantastische Jahre. Rücktritt.").

Evans Einstellung der Berichtserstattung sorgt jetzt weltweit für Schlagzeilen - die Blogger- und IT-News-Szene hat ihren vielleicht interessantesten Informanten verloren. Die Hintergründe für die Aufgabe sind inzwischen bekannt, Evans hat sie in einem Interview mit TNW erklärt.

Webpräsenz von Evleaks. Bei aktiviertem Adblocker erscheinen auf der Seite (siehe oben rechts) Einblendungen, mit denen darum gebeten wurde, den Adblocker abzuschalten, weil die Finanzierung des Betriebs sonst nicht möglich ist. Dieser Fall ist jetzt eingetreten.

Der Hauptgrund: trotz des immensen Erfolgs seiner Tätigkeit, fand sich keine Möglichkeit etwas damit zu verdienen.

Bei seinem Twitter-Feed hat es zunächst mit monatlichen Sponsoring-Aktionen versucht, dann mit wöchentlichen, dann mit "Pro-Beitrag".

Er nahm Spenden an, fühlte sich wie ein Bettler. Auch der Versuch mit einer Webpräsenz etwas zu verdienen, ist gescheitert.

Laut seinen Angaben deshalb, weil seine Leser sehr heftig Anzeigenblocker einsetzen.

Im Hinblick auf seine fortschreitende Erkrankung an Multipler Sklerose will sich Evans eine Tätigkeit suchen, die seine Zukunft finanziell besser absichert.

Michael Nickles meint:

Ein schwerer Verlust, aber ein verständlicher - wer hat schon Lust unbezahlt zu arbeiten? Viele werden Evan Blass und seinen Twitter-Feed vielleicht nicht direkt kennen, haben aber schon viel indirekt von ihm gelesen - weil auch zig deutsche Blogger halt seine Beiträge weiterreichten.

Auf jeden Fall ist das wieder mal ein Sieg für die "Generation kostenlos", alle die glauben, dass das Internet durch den Einsatz von Adblockern besser wird. Wenn ich mir die aktuelle Entwicklung bei deutschen IT-Webseiten und Blogs angucke, dann lässt das nichts Gutes erahnen

Es gibt immer mehr Angebote, bei denen man merkt, dass durch klassische Werbung nicht mehr genug Geld reinkommt, dass sie sich an Strohhalme klammert. Es wird zunehmend auf Affiliate-Programme (beispielsweise Links zu Amazon-Produkten) gehofft, mit denen sich (meiner Erfahrung nach) aber bestenfalls Kleckerbeträge verdienen lassen. Als letzter Ausweg bleibt eigentlich nur noch Berichterstattung in der Grauzone: Produktplatzierungen und Schleichwerbung.

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Nashörnchen Michael Nickles „Berühmter Technik-Blogger gibt wegen Anzeigenblocker auf“
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Auch wenn es ja durchaus irgendwie fast schon menschlich verständlich und nachvollziehbar ist, daß Du hier bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen Adblocker wetterst: Du machst - wie unzählige Deiner Kollegen auch - einen ganz gewaltigen Denkfehler. Es geht mitnichten um irgendeine angebliche »Generation Kostenlos« - die existiert nämlich ausschließlich in der Propaganda. Das einzige und alleinige Stichwort ist »RAFFGIER«!!!

Die Älteren werden sich gewiß erinnern: Noch vor wenigen Jahren gab es deutschlandweit vielleicht 10 oder 20 »wichtige« Zeitungen, dazu noch ein paar spezielle Fachblätter für Fernsehkucker, Computerfreaks, Autofahrer, Kaninchenzüchter, Wasweißich und jeweils ein oder zwei Regionalblättchen rings um den eigenen Kirchturm. All diese Zeitungen haben ein paar Pfennige gekostet, man hat sie gelesen, war (mehr oder weniger) umfassend informiert und hinterher konnte man noch einen Fisch drin einwickeln oder sich den Hintern wischen und alles war gut. Und auch damals schon sind unzählige hochbezahlte Reporter kreuz und quer um die Welt gereist - weit weit mehr als heute, wo Nachrichten fast ausschließlich nur noch von ein paar wenigen Agenturen billig eingekauft und von kostenlosen Praktikanten verwurstet werden. Und dennoch haben alle diese Zeitungen damals Millionen verdient.

Und dann kam ich weiß nicht wer auf die glorreiche Idee, mit Werbung unfaßbar reich werden zu müssen. Das Resultat: Inzwischen kosten genau dieselben Zeitungen das zehn-, zwanzig-, fünfzigfache, oft weit über die Hälfte darin interessiert keine Sau mehr, Information und eigentlichen Inhalt gibt es nur noch auf den paar wenigen weißen Flecken, die nun endgültig nicht mehr an irgendeinen Werbefuzzi zu verhökern waren - und oh Wunder: Kein Mensch will diesen Sondermüll mehr haben, geschweige auch noch teuer Geld für praktisch nichts bezahlen - die Blätter gehen reihenweise pleite. Beim Fernsehen ist es übrigens exakt dasselbe - nur mal so als Tip: Die GEZ kommt jeden von uns weitaus billiger als die ganze Werbung. Die müssen wir nämlich auch bezahlen.

Ja, das Internetz mag auch einen gewissen Anteil daran haben, daß ein paar weniger Zeitungen verkauft werden - aber dieser Anteil ist weit weit geringer, als man uns ständig weismachen will. Dieses Internetz hat nämlich exakt denselben Fehler - nur viel schneller - wiederholt, den die Zeitungen in ihrem Größenwahn vorgemacht haben: Es gab ja durchaus mal eine Vielzahl an Laien-Schreibern, die mit unglaublich viel Engagement und Herzblut hochinteressante und informative Seiten mit eigenen Ansichten und Themen jenseits des gleichgeschalteten Mainstreams gestaltet und ins Netz gestellt haben - auch das frühe Nickles.de sei hier ausdrücklich dazugezählt. Da waren auch sicher eine Menge Seiten dabei, für die man richtig gerne einen gewissen Obolus bezahlt hätte - das war aber zumeist gar nicht die Intention dieser Schreiber, die ganz einfach Spaß daran hatten, ihren Mitmenschen ihr Wissen oder den einen oder anderen Denkanstoß zu vermitteln. Das allerbeste Beispiel sei hier die berühmte Wikipedia, ohne die heute wohl kaum einer von uns noch überleben könnte und bei der zahllose Leute kostenlos ihre Freizeit drangeben - und die völlig ohne Werbung auskommt und dennoch prächtig funktioniert.

Und genau hier liegt das Problem: Die technischen Möglichkeiten machen es inzwischen ja recht einfach, also glaubt mittlerweile jeder Hanswurst, einfach nur die ewiggleichen geklauten Inhalte zum millionsten Mal kopieren und nur noch ein paar Schichten Werbung mehr drüberlegen zu müssen als der Vorgänger und schon wäre man weltberühmt und märchenhaft reich. Daß das niemals funktionieren kann, kann man sich an allen zehn Fingern abzählen. Noch vor wenigen Jahren konnte man mit dem 56k-Modem durchaus die meisten Webseiten recht passabel aufrufen - heute würde man dafür wohl mehrere Tage brauchen, inzwischen sind viele Seiten schon soweit zugeschissen, daß der Browser selbst bei kräftiger DSL-Leitung regelmäßig abschmiert.

Daß da die paar übriggebliebenen ernsthaften Blogger in der unglaublichen Masse dieser Abermillionen Vollidioten untergehen, nachgerade zwingend untergehen müssen, ergibt sich aus sich selbst. Aber kann es denn dann wirklich die Lösung sein, ausgerechnet genau dieselben Fehler auch zu machen??? Kein Mensch hat was gegen Werbung: Natürlich soll der Bäcker sich seine Brezel über die Ladentür hängen und der Autohersteller seinen Stern auf die Motorhaube pappen und Nickles.de einen Hinweis auf sein neues Buch auf seine Webseite stellen. Kein Problem. Aber ich kaufe mir eben ein weißes, gestreiftes, kariertes Hemd, weil ich vernünftig angezogen sein will - und kein Fußballshirt, nur damit irgendwer damit reich wird. Ich kaufe mir ein rotes, grünes, blaues Auto, weil ich damit fahren will - und keine DTM-Lackierung, nur damit irgendwer damit reich wird. Und ganz genauso kaufe ich mir eine Zeitung - oder eben eine Webseite -, weil ich etwas erfahren will -  und nicht, damit irgendwer damit reich wird.

Das Prinzip ist Jahrtausende alt und funktioniert immernoch perfekt: Nicht jeder kann und will alles selbermachen, also biete was Vernünftiges an, das die Leute haben wollen und die Leute werden gerne dafür bezahlen. Das klappt ganz genauso auch im Internetz. Wie man die Abrechnung en détail organisiert, ist dabei völlig wurscht. Produziere Müll und Du mußt eben Werbung machen. Reich werden damit immer nur die anderen. Nennt sich »Marktwirtschaft« das ganze. Und wo hauptsächlich Müll produziert wird, braucht man eben Adblocker, um das bissl Brauchbare rauszufiltern. Und da tut mir auch irgendein dubioser Evan Blass und sein Twitter-Feed absolut nicht leid. Weg damit!!!

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