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Flug AF447

gelöscht_152402 / 7 Antworten / Flachansicht Nickles

Hallo zusammen,

im Zusammenhang mit den bisherigen Ermittlungen und Vorab-Berichten stellt sich mir zum Todesflug AF447 folgende Frage:

Die Geschwindigkeitsanzeige ist zwar eine der wichtigsten überhaupt, aber konnten die Piloten nicht anhand der anderen Instrumente ihre Fluglage bestimmen?

Nach meinem Kenntnisstand vereisten die Geschwindigkeitssensoren und meldeten dem Auto-Pilot falsche Werte. Z.b. 111 km/h bei gleicher Höhe, gleicher Schubleistung, geraden (künstlichen) Horizont. Er schaltete sich ab und übergab autom. an die Piloten. Die hatten die Lage nun zu prüfen und zu entscheiden.
Nun kann man in einem Flugzeug nicht einfach aus dem Fenster sehen und die Geschwindigkeit abschätzen. Schon gar nicht in der Nacht, über dem offenen Meer und dazu noch in einem Sturm. Aber man hat doch noch andere Anzeigen, die einem eine verlässliche und sichere Auskunft geben.

So stelle ich mir vor, dass ich als Pilot die zuletzt korrekte Geschwindigkeit kenne. Sagen wir 800 km/h. Nun springt plötzlich der Autopilot mit einer Warnung aus und lese 111 km/h ab. Ich beobachte also dann die übrigen Anzeigen uns stelle fest:
Keine Sinkrate, Schub normal, Triebwerke keine Warnungen, künstl. Horizont in der Waage, Höhe unverändert. Die Geschwindigkeitsanzeige fehlt mir nun aber die Fluglage ist weiterhin stabil. Denn keine andere Anzeige deutet mir an, dass an der Fluglage nun etwas kritisch sein könnte.

Soweit ich weiß, versuchten die Piloten zu diesem Zeitpunkt aber den heftigen Turbulenzen auszuweichen und änderten den Kurs. Auch wenn die Geschwindigkeitsanzeige eine extrem wichtige Anzeige ist, vermitteln mir die anderen Anzeigen doch einen weitaus besseren Eindruck der aktuellen Fluglage. Als Pilot weiß ich doch wie viel Schubkraft ich gebe, was das Variometer anzeigt, der Höhenmesser und behalte den künstlichen Horizont im Auge. Dabei ist die tatsächliche Geschwindigkeit eher schon fast nebensächlich. Ob nun 500 km/h oder 700 km/h, solange die Fluglage stabil bleibt, ist es erst mal in Ordnung.

Nun "fliege" ich nur Simulatoren, aber dass Unglück erschließt sich mir dennoch nicht.
Laut der bisheriger Auswertungen des Voice-Recorders haben sich die beiden Co-Piloten offensichtlich ausschließlich an die Geschwindigkeit gehalten. Also Nase runter um Fahrt zu machen, dann wieder Hoch um Höhe zu gewinnen. Das ist paradox, denn es gab mutmaßlich keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Höhe nicht mehr gegeben war und es zu einer geschwindigkeits-bedingten Sinkrate kam. Dabei will ich kaum glauben müssen, dass sich die beiden Co-Piloten nur auf dieses eine fehlerhafte Instrument verlassen haben wollen. Als der Kapitän wieder im Cockpit war, nahm das Unglück bereits seinen Lauf. Nix mehr mit Plätze wechseln.

Laut Blackbox dauerte der Absturz (von der Fehlermeldung bis zum Aufschlag) keine vier Minuten. Bei der Höhe braucht es schon fast die gesamte Zeit, um überhaupt aus dieser Höhe abstürzen zu können. Sprich, die Co-Piloten haben keine Minute gehabt, um erschrocken in das vermeintliche Geschehen einzugreifen, obwohl Sie eigentlich in der Lage gewesen sein mussten, die Fluglage deutlich sicherer und unerschrockener einschätzen zu können.

In jedem Fall war es auch hier eine Verkettung von ungünstigen Umständen und letztendlich auch der Sturm, der zur Katastrophe führte.
Meine Frage hierzu stimmt mich aber ziemlich nachdenklich.

Wie gesagt, ich habe nur Wissen aus Simulatoren und möchte einfach nur mal eure Einschätzung erfahren. Oder auch mehr, wenn jemand mehr dazu sagen kann.

Gruß
zucchero

PS: Einen tollen Vatertag wünsche ich allen Vätern hier :-)

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Hi,

ich sehe das so:

Heute ist nicht mehr das fliegerische Geschick des Piloten gefordert, sondern das absolute Vertrauen in die Technik.

Ich als Techniker behaupte: "Das kann tödlich sein"!

Es erinnert mich an den Absturz einer Öger-Maschine vor rund 11 Jahren vor Puerto Plata, Dominikanische Republik.
Auch damals versagten die Geschwindigkeitsmesser.

Ich stelle mir vor, der Schub steht auf 80% und die Maschine fliegt mit Reisegeschwindigkeit, alle Anzeigen sind normal.
Plötzlich zeigen die Geschwindigkeitsmesser eine kritische (langsame) Geschwindigkeit an, alle anderen Anzeigen sind jedoch im grünen Bereich und selbst in Unwetter kann man viel vom Himmel oder der Umgebung sehen, wie würde man selber reagieren? Würde man der Anzeige oder dem Gefühl mehr trauen? Würde man Maßnahmen zur Kontrolle ergreifen, Klappen oder Fahrwerk ausfahren oder Vollgas geben (ich bin kein Pilot) aber doch sicher nicht ohne Not die Nase senken.

Auch für mich stellt sich das alles sehr seltsam dar.

Geschwindigkeitsmessung nur per Staudruck ist sicher nicht das Non plus Ultra, also technisches Problem.
Der Umgang damit aber ist menschliches Versagen.

Denn der Geist, der freie Wille ist das, was den Menschen über die Maschine erhebt.
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