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Primzahlen-Quote

Olaf19 / 24 Antworten / Flachansicht Nickles

Hallo zusammen!

Dieser Thread ist wohl nur etwas für die Mathematik-Begeisterten unter euch... folgendes Szenario: Stellt euch eine unendlich große Lostrommel vor, in der sich unendlich viele Kugeln befinden. Auf jeder Kugel ist eine natürliche Zahl aufgedruckt, so dass alle natürlichen Zahlen genau einmal vorkommen. Die Kugeln sind gut gemischt.

Eine Glücksfee greift in die Lostrommel und zieht eine Kugel - wie groß ist nun die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine Kugel mit einer Primzahl fischt? Oder, etwas nüchterner gesagt: Wie groß ist der prozentuale Anteil der Primzahlen an allen natürlichen Zahlen?

Mathematiker haben bewiesen, dass es unendlich viele Primzahlen gibt - bekannt ist aber auch, dass ihre Häufigkeit bei sehr hohen Zahlen logischerweise abnimmt: Je mehr Primzahlen wir unter den kleineren Zahlen ermittelt haben, desto mehr Produkte aus diesen Zahlen gibt es unter den größeren Zahlen, die dann ihrerseits keine Primzahl mehr sein können.

Die Frage ist nun, ob die Primzahlenquote bei sehr hohen Zahlen gegen Null konvergiert - oder ob es einen endlichen Grenzwert dafür gibt.

Schon Ende der 80er Jahre habe ich versucht, dieser Frage auf den Grund zu gehen und meinen alten Atari darauf angesetzt. Mit Omikron Basic hatte ich damals ein Programm geschrieben, das diese Quote berechnet. Die Formel dafür war ganz simpel: Wenn man davon ausgeht, dass eine Primzahl außer durch 1 und durch sich selbst "durch nichts" teilbar ist, also nicht durch 2, nicht durch 3, nicht durch 5, nicht durch 7 usw., dann ergibt sich als Formel für die Grenzwertberechnung:

- nicht durch 2 teilbar: Wahrscheinlichkeit = 1/2
- nicht durch 3 teilbar: Wahrscheinlichkeit = 2/3
- nicht durch 5 teilbar: Wahrscheinlichkeit = 4/5
- nicht durch 7 teilbar: Wahrscheinlichkeit = 6/7
- und so weiter

Die Primzahlenquote liegt also bei: 100% * 1/2 * 2/3 * 4/5 * 6/7 *...

Etwas technischer ausgedrückt: Für jede neu ermittelte Primzahl P muss die bis dahin errechnete Quote mit (P-1)/P multipliziert werden. Damit wird diese im Laufe der Zeit immer kleiner, wobei die Verkleinerung immer langsamer vonstatten geht, denn je größer P wird, desto mehr konvergiert (P-1)/P gegen 1.

Nachdem ich den armen Rechenknecht Tage und Nächte habe laufen lassen und er somit für andere weit praktischere Aufgaben gänzlich blockiert war, kam ich auf einen Wert von etwas über 3%; ca. in der Nähe von π. Dann habe ich es irgendwann aufgegeben, zumal das Programm mit steigenden Zahlen zunehmend langsamer wurde. Ich weiß auch leider nicht mehr, bis zu welcher Primzahl ich noch gekommen bin.

Was meint ihr: Konvergiert der Anteil der Primzahlen in der Unendlichkeit gegen Null, oder pendelt er sich bei einem endlichen Grenzwert über Null ein und wenn ja, wie groß ist dieser? - denkbar sind beide Möglichkeiten...

CU
Olaf

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"Das sind Leute, die von Tuten und Ahnung keine Blasen haben" (ein Reporter auf die Frage nach der politischen Bildung des typischen Anhangs von Donald Trump)
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siebenkäs Nachtrag zu: „Soll man schon mal die Clay-Foundation benachrichtigen ? Was macht 1.000.000...“
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So, bevor hier der Eindruck entsteht ich würde mich nur lustig machen, hier auch mal was konstruktives zum Thema, für die
ganz interessierten:
Riemann suchte eine genauere asymptotische Abschätzung für große x der Funktion:
\pi(x)=Anzahl der Primzahlen unterhalb der Zahl x
Eine erste Antwort lieferte der schon bekannte Primzahlsatz, wie oben schon angedeutet:
\pi(x)~x/ln x
Diese funktionale Abhängigkeit ist für unendlich großes x auch exakt (die Mathematiker unter euch mögen das bitte überhört haben), das ist ja grad das Wesen von asymptotischen Näherungen. Riemann ging es nun hauptsächlich darum, den Fehler abzuschätzen, den man bei endlichem x macht. Wobei er aber von der leicht verbesserten Näherung
\pi(x)~Li(x) ausging, Li(x) ist der sogenannte Integrallogarithmus, tut hier wenig zur Sache, wichtig ist nur dass er im unendlichen mit dem Graph der Funktion x/ln x zusammenfällt (logisch, oder ??)
Ziel war also eine Gleichung der Form
\pi(x)=Li(x)+R(x)
hinzukriegen, wobei der Restterm R(x) den Fehler abschätzen sollte, den man bei endlichem x macht.
Er fand, unter noch zu besprechenden Annahmen (eben der berühmten Riemannschen Vermutung)
den Ausdruck
R(x)=O(x*sqrt(x))
Wer von euch sich jemals mit der Komplexitätsanalye der von ihm entworfenen Algorithmen beschäftigt hat, wird mit großen und kleinen Os vertraut sein.
Wie kam er nun darauf ? Hier kommt die berühmte Riemannsche Zeta-Funktion ins Spiel.
Für alle reellen s>1 ist diese sauber definiert durch die unendliche Reihe

\zeta(s)=1+1/2^s+1/3^s+1/4^s+...

Wer nicht glaubt dass hier für alle s>1 was endliches rauskommt möge das mal an einigen Beispielen numerisch austesten.
Was hat das nun mit Primzahlen zu tun ? Wesentlich ist hierbei, das die Zeta-Funktion die folgende alternative Darstellung besitzt:

1/zeta(s)=(1-p1^(-s))(1-p2^(-s))(1-p3^(-s))... (Eulersche
Produktentwicklung)

p1,p2,p3,... bezeichnen hier die fortlaufend numerierten Primzahlen.
Hier kommen also die Primzahlen ins Spiel, besser kann ich das mit meiner Halbbildung in Sachen Zahlentheorie
jetzt auch nicht erläutern, eigentlich ein wichtiger Schritt in der Beweisführung, wer sich dafür interessiert
sollte das mal nachlesen.

Wer jetzt glaubt das war's schon möge sich in Geduld üben. Die Mathematiker lieben es nämlich, alles mögliche analytisch fortzusetzen, und so wollten sie auch gerne die Zeta-Funktion zeta(s) für alle komplexen Argumente s definieren, so dass
am besten noch eine (sogenannte meromorphe) Funtkion in der komplexen Ebene erklärt ist, die für reelles s>1 mit der oben durch Reihenbildung definierten Funktion zeta(s) übereinstimmt. Das klappt bei Riemanns Zeta Funktion tatsächlich, man kriegt dann eine meromorphe Funktion mit einem (einfachen) Pol bei s=1, die so fortgesetzte Funktion ist darüberhinaus aber z.B. auch bei s=0 sinnvoll erklärt, was ja nach der Reihenbildungs-Definition völliger Quark ist,
denn demnach

zeta(s=0)=1+1+1+1+1+1+...

Wer nicht glaubt dass das nicht konvergiert möge es mal numerisch austesten... ;-)
Aber, sauber definiert durch analytische Fortsetzung: zeta(s=0)=-1/2
So, langer Reder kurzer Sinn: Knackpunkt von Riemanns Restgliedabschätzung für den Primzahlensatz ist nun folgendes:
Diese gilt genau dann, wenn folgende Aussage über die Zetafunktion zutrifft:

Abgesehen von den trivialen Nullstellen der Zetafunktion bei -2,-4,-6,... befinden sich sämtliche Nullstellen von zeta(s) auf
der kritischen Geraden s=1/2+it, t reell. Andere gibt es schlichtweg nicht.
Diese Aussage hat bisher nur den Status einer Conjecture und ist unbewiesen. So, also macht euch mal an die Arbeit, immerhin hat das Clay Mathematics Institute ein Preisgeld von $ 1.000.000 ausgesetzt. Und wenn euch (immerhin sind wir hier auf einer Computerseite) das P=NP Problem mehr interessiert, auch noch ungelöst, also unbedingt mal hier reinschauen:
www.claymath.org/millennium
Sollte ich jetzt hier irgendwas falsch dargestellt haben, bitte macht mich drauf aufmerksam, man lernt ja nie aus...
Das war's mit der mathematischen Märchenstunde. Nächstes Mal bei Löwenzahn: Wie man Riemannsche Flächen verklebt (UHU bitte selbst mitbringen)

P.S. Wer das Problem aufgrund meiner Ausführungen hier löst, möge mich doch bitte am Preisgeld beteiligen und als Co-Autoren nennen...

Euer Peter Lustig

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"Only one thing is impossible for God: To find any sense in any copyright law on the planet."Mark Twain
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