Nachtgedanken zur modernen Kommunikation----
oder:
Irgendwie steckt da manchmal der Wurm drin....
Bitte melde dich (nicht) ?
Es ist paradox, daß gerade Liebesgeschichten quasi naturgemäß durch Mißverständnisse und Unsicherheiten gekennzeichnet sind. Als wäre das nicht schon traurig genug, pfuscht uns nun auch noch die Kommunikationstechnik ins emotionale Handwerk . Das jahrhunderte-alte Balzverhalten zwischen Männern und Frauen wird durch moderne Maschinen und Mechanismen empfindlich beeinflußt.
Anrufbeantworter und Mailbox, Email und Fax, Quix und SMS: Es herrscht das Zeitalter totaler kommunikativer Verfügbarkeit. Das überholte "Ich-habe-vergeblich-versucht-dich-zu-erreichen" wurde ersetzt durch Variationen von "Sprich-mir-doch-aufs-Band".
Ich beklage eine gewisse Inflationierung jedweder Kontaktaufnahme (und bin dabei sowohl Opfer als auch Nutznießer). Es gab Zeiten, da schickten sich Liebende Botschaften, die höchst risikoreich wochenlang unterwegs waren. Man bediente sich reitender Kuriere (Pferd stürzt, Reiter tot, Briefschicksal ungewiß), umständlicher Transportwege zu Wasser (Schiff sinkt, Oscar-reife Filmvorlage, der Brief geht unter) oder der klassischen Postkutsche (Überfall, Briefe werden verbrannt). Der Akt kommunikativer Zeichen war heilig, Kontakt kostbar, die Mittel rar.
Wenn Liebende heute noch vor Sehnsucht schmachten, mag das an Minderwertigkeitskomplexen oder Auslandsaufenthalten liegen - nicht aber an mangelnden Möglichkeiten. Das zeitgemäße Rendezvous im auslaufenden Jahrtausend durchläuft in der Regel einige Handy, Fax- oder Email-Stationen, wenn diese die Verabredung nicht gar irgendwann substituieren. Verbindliche Termine sind selten; wahrscheinlicher ist: "Wir können ja noch mal telefonieren."
Ich habe ein höchst ambivalentes Verhältnis zu ISDN. Auch hier: Welch' Eingriff in evolutionäres Verliebtseins - Verhalten! Noch vor wenigen Jahren war es möglich, das Objekt der Begierde unter Herzklopfen so oft anzurufen, bis es persönlich an der Strippe war. Dann konnte man (typisch verliebt eben) gespielt - gefaßt vermelden: "Ich dachte, ich ruf' Dich einfach mal an". Schön unauffällig, von den vorangegangenen Versuchen konnte er nicht wissen. Heutzutage verpetzt mich sein Display, das schadenfroh vermeldet, die Telefonnummer soundso hätte xmal versucht, ihn zu erreichen. Na wunderbar. Da der Verliebte nicht zum Psychopathen gestempelt werden möchte, überlegt er genau, ob und wann er anruft. Ein Jammer.
Auch der Anrufbeantworter ist kein Unschuldsengel in Sachen Liebe. Zwar hilft er, unangenehmen Situationen auszuweichen (erstmal hören, wer da anruft...). Brav, Maschine. Tausend Dank. Er erfindet jedoch auch neue unangenehme Situationen. Etwa folgende: Ein Rendezvous mit dem Traum-Partner endet in deinem Zuhause. Da leuchtet bereits eine herausfordernde "2". "Du hast zwei Anrufe", flötet Ihr Gast. Hossa - jetzt wird russisches Roulette gespielt. Hören Sie das Band jetzt nicht ab, wird Mißtrauen geweckt. Hören Sie es ab, ruft vielleicht dein bester Freund: "Wo steckst Du? Hast Du sie rumgekriegt? Ruf mich an." Oder ein Mensch des anderen Geschlechts weist Dich zärtlich darauf hin, daß bei ihr noch "dein Sweatshirt liegt. Es riecht so schön nach dir.“
Selbstverständlich gibt es einen Notausgang aus dem Nirwana technischer Liebeseinflüsse:
Mache Dich einfach unerreichbar.
Aber Du wirst es hassen!
Gute Nacht Freunde------- euer triker