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Reisebericht England

gelöscht_15325 / 14 Antworten / Flachansicht Nickles

Hi Leute, da es einige interessiert hat, dachte ich mir, ich koennte mal meine bisherigen Impressionen von der Insel zum Ausdruck bringen. Bei Nichtinteresse einfach ueberlesen, geflamed wird nicht.


Also dann will ich mich mal zu Wort melden und von "Czuk's Abenteuer im Rechtslenkerland" berichten.
Ich leb hier soweit ganz gut, zusammen mit 2 Englaendern und einem Kiwi (Neuseelaender). Das hat den grossen Vorteil, das ich quasi immer in Kontakt mit der englischen Sprache bin und deshalb auch schnell lerne.
Die Arbeit bei Jaguar ist soweit auch ganz ok, was einen allerdings ziemlich fertig macht ist diese Gelassenheit, die hier ueberall anzutreffen ist. Nirgends herrscht Stress, niemand schnauzt herum, ueberall relaxte Atmosphaere. Was wie das Arbeitsparadies aussieht, ist auf lange Sicht die reinste Hoelle, da die Zeit einfach nicht vorbei gehen will und ein Arbeitstag so lange erscheint, wie eine Woche. Aber was soll's, die Leute stimmen und lernen tu ich dort auch noch so manches. Leute, kauft den neuen Jaguar XJ! *gg* Ok, der ist ein wenig teuer, aber fuer das Geld bekommt man viel geboten. Da kann sich S-Klasse und 7'er BMW warm anziehen...
Generell finde ich den britischen Humor einfach klasse. Auch wenn man als Deutscher ja denkt, dass die Briten eher reserviert und kuehl waeren; das stimmt ueberhaupt nicht! Nonstop werden Scherze gemacht, es wird viel gelacht und wenn die Briten am Wochenende die Sau raus lassen, dann richtig...
A propos Wochenende. Das Nachtleben hier ist ein Fall fuer sich. Mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass die Pubs hier um 23 Uhr alle dicht machen, ging ich an meinem 1. Abend in eine Kneipe - und kam partout nicht herein. Kleiderordnung wird hier stellenweise sehr gross geschrieben. In vielen Laeden hat man mit Turnschuhen ab einer gewissen Uhrzeit ganz schlechte Karten und wird in der Regel allzu prompt von einem 130 kg, 2 Meter Schrank darauf hingewiesen, dass man das Lokal doch bitte verlassen solle. Naja, wenigstens stimmte er Ton. Mit dem Wissen, das Turnschuhe, oder Trainers wie sie hier heissen, ein Fauxpas sind, zog ich also mit nicht huebscheren, aber dafuer unsportlicheren Schuhen am naechsten Wochenende durch die Strassen. Und was stellte ich fest? Ach so, mit Jeans komm ich also hier auch nicht rein. Der Schrank war wiedermal nett, auch wenn mir seine Coolheit mittlerweile ziemlich auf den Senkel ging und ich ihm am Liebsten sonstwas erzaehlt haette. Aber man lernt ja stets dazu. Beim dritten Anlauf klappte es, ich durfte endlich das Lokal mal abends von innen sehen, juhu! Also schaute ich mir mal an, wie sich hier so das Paarungsverhalten geschlechtsreifer Grossstaedter aeussert. Sehr primitiv! Frauen werden hier einfach angegraben und mitgenommen, in der Regel wollen die das sogar noch so. Grossartig geredet wird dabei fuer gewoehnlich nicht, denn nach spaetestens 2, 3 Saetzen ist der Braten gegessen, bzw. die Frau erobert. Achja, im Gegensatz zu Deutschland, laesst hier fuer gewoehnlich so gut wie jeder Brite am WE richtig die Sau raus, was normalerweise in Heerscharen von Volltrunkenen endet, oder in einer Massenschlaegerei, je nach Stimmung. Dies laesst sich aber auch rel. einfach erklaeren. England ist teuer, sehr teuer. Das einzige was hier nen, fuer uns normalen Preis hat, ist der Sprit, wobei man bedenken muss, dass es hier keine Oeko-Steuer gibt. Naja, jedenfalls tragen die hohen Preise dazu bei, dass die brit. Jugend, sofern sie von eigenem Geld lebt, oft nur jedes 2. oder gar 3. wochenende weggeht. Und wenn man dann aber mal rausgeht, dann richtig...
Der Verkehr ist soweit auch kein Problem. Ans Linksfahren hat man sich nach etwa 2 Tagen gut gewoehnt, nach wenigen Stunden ist es bereits merklich leichter. Wenn man es dann einmal gemacht hat, ist es kein Problem, es nach einem Deutschlandbesuch, wieder zu tun.
Was hier relativ populaer ist, sind diese Argos Shops. Man geht rein, blaettert in einem Katalog herum, sucht sich raus was man will und kann es dann direkt an der Warenausgabe abholen. So spart man 1. Personal und 2. Regale.
Da ich ja Fahrzeugtechniker bin, hier noch ein paar Fakts dazu: Die meistgefahrene Marke ist hier Ford, Platz 2 und 3 werden von Opel (hier unter dem Namen Vauxhall bekannt) und Rover/ Mg vertreten. Dem folgt dann VW, Mercedes, BMW und dann der Rest. Reisschuesseln sieht man hier kaum...
Was bei uns der Doener oder Luigi ist, ist hier das Curry. So wird indisches Fastfood oder sonstiges bezeichnet. Generell ist der Anteil an Indern und Pakistanis hier sehr hoch, etwa soviel, wie wir Tuerken und Italiener haben. Auch sehr populaer sind Fish&Ships, wobei ich mich einfach nicht damit anfreunden kann, nach Fisch schmeckende (da im gleichen Fett frittierte) Fritten zu essen. Mexikanisches Essen ist hier auch sehr beliebt... Und natuerlich Kartoffel-Chips. Die werden hier im Uebrigen nicht als Suessware sondern als Lebensmittel gehandelt. So essen wohl etwa 20-30 Prozent der Ingenieure bei Jaguar Chips zum Fruehstueck. Mittlerweile hab ich mich dran gewoehnt, denen dabei zuzusehen. Am Anfang kam's mir dabei aber echt jedes mal hoch.
Getrunken wird hier traditionell Tee, wobei ich beim Kaffee geblieben bin. Abends gibt's hier allerlei zu trinken. "In" sind Wodka-Chemo-Mischgetraenke, in den verschiedensten Farben, die alle mehr oder weniger gleich schmecken, naemlich viel zu suess. Biermaessig ist man hier bestens bedient. @TurboLover: Und da muss ich dir leider widersprechen, mir schmeckt hier fast jedes Bier. Besonders das Ale (hier Bitter genannt), mag ich sehr, da es so leicht verdaulich ist.
Tja, was gibt's sonst noch zu sagen? Ich geniesse die Zeit total, auch wenn's manchmal hart ist, ohne ordinaeren Internet, geschweige denn Telefon-Anschluss zu leben. Naja, solange die Post noch klappt... ;-)
Im naechsten Sommer/ Winter geht's fuer mich erstmal nach Schweden, mal sehen was ich dann da zu berichten weiss :-)=


Hoffe den Brettern geht es soweit gut, vermisse die Nickles Gemeinschaft ja doch schon ein wenig *schnueff*


Gruss,

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Olaf19 gelöscht_15325 „Reisebericht England“
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Ja, Großbritannien ist schon eine ganz andere Kultur. Das Gefühl, im Ausland zu sein, ist dort imho viel stärker als in jedem anderen unserer Nachbarländer. Diese Geschichte mit dem Linksverkehr ist symptomatisch für alles weitere - so sind die Briten, immer ein wenig anders. Aber das macht sie in meinen Augen auch wiederum liebenswert.

Die durch nichts zu erschütternde Gelassenheit der Briten kann einem mitunter schon unheimlich werden. Da bleibt schon mal das eine oder andere unerledigt liegen, was dann dazu führt, daß irgendetwas nicht so funktioniert wie es soll. Aber darüber regt sich - im Gegensatz zu uns - kein Mensch auf. Im Gegenteil, wie Du schon sagst: Man macht ein paar launige bis sarkastische Bemerkungen dazu und damit gut. Und beim nächsten Mal wird das gleiche Problem wieder mit der gleichen Gelassenheit angegangen.

Ich weiß nicht, ob ich mir solche Verhältnisse für hier wünschen sollte - glaube eher, es würde mich ganz wahnsinnig machen. Aber bewundernswert ist es schon, und auch nachdenkenswert. Mit der Kunst zu leben hat diese Lebenshaltung auf jeden Fall viel mehr zu tun als die hierzulande so oft zu beobachtende Gehetztheit und Verbissenheit.

CU
Olaf

Die Welt ist ein Jammertal ohne Musik. Doch zum Glueck gab es Bach, Beethoven, Haendel und Goethe (Helge Schneider)
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