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DMCA als Waffe gegen Meinungsfreiheit!

Jayage / 1 Antworten / Baumansicht Nickles

Laut einer Meldung auf heise.de (http://www.heise.de/newsticker/data/anw-06.12.02-002/)
hat der Chemiekonzern Dow Chemical sich unter Berufung auf den Digital Millenium Copyright Act (DMCA) einer satirischen Website entledigt, die Kritik an deren Firmenpolitik übte. Die besagte Website hat sich an das Corporate Design (CD) der Firmen-Site angelehnt und dieses mit satirischen Texten belegt.

Darf hier DMCA überhaupt greifen? Ich finde nicht. Denn bei den Betreibern der Satire-Website handelt es sich nicht um einen Mitbewerber, der durch die Verwendung des CD von Dow Chemical einen Wettbewerbsvorteil erringen will. Es handelt sich vielmehr um einen Akt der freien Meinungsäußerung - und der ist grundrechtlich geschützt.
Die Website wurde inzwischen gesperrt. Was bedeutet das jetzt? Heißt das, das das Corporate Design einer Firma wichtiger ist als die Meinungsfreiheit? Stehen jetzt wirtschaftliche Rechte über den Grundrechten?
Was mich besonders erschreckt ist die Vorgehnensweise des Chemie-Konzern, die mich doch sehr an Selbstjustiz erinnert. Zwischen der Tat und der Bestrafung derselben, liegt immer noch der Prozeß und die Verurteilung durch ein unabhängiges Gericht. Wo war dieses Gericht in diesem Fall? Es wurde einfach übergangen: Ein (fragwürdiges) Gesetz wurde gebrochen(?), der Chemiekonzern übt den nötigen Druck aus und eh man sich versieht ist die unliebsame Website gesperrt. Würde ich in einem Land leben, in dem Mord mit Todesstrafe geahndet wird und würde Zeuge eines Mordes, dann kann ich doch nicht zur Waffe greifen und den Mörder eigenmächtig hinrichten, frei nach dem Motto: "Er wäre ja sowieso zum Tode verurteilt worden!"

Die erschreckende Einfachheit mit der heutzutage ein Konzern erfolgreich gegen unliebsame Kritik vorgehen kann, lässt mich darüber nachdenken, was erst passiert, wenn die TCPA/Palladium-Initiative Fuß gefaßt hat. Dann ist das was wir hier im Großen erleben auch im Kleinen möglich und dieses Posting würde wohl gar nicht erst erscheinen.

Schöne neue Welt, wir kommen!

Jayage

Olaf19 Jayage „DMCA als Waffe gegen Meinungsfreiheit!“
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Mit der "schönen neuen Welt", TCPA/Palladium oder gar Selbstjustiz hat das Ganze überhaupt nichts zu tun.

Der Reihe nach: Die Idee zu einer solchen Satire-Seite finde ich gut. Insbesondere wenn man den Heise-Artikel gelesen hat und weiß, was dieser Chemiekonzern für einen Dreck am Stecken hat. Ich hätte mir die Seite gern angesehen - aber www.dow-chemical.com ist bereits offline. Und da geht's schon los: Allein die URL ist Grund genug für eine Unterlassungsklage, selbst wenn es sich um eine "Fanpage" des Chemiekonzerns (www.dow.com) gehandelt hätte. Bei der Anmeldung von Domainnamen gilt keineswegs immer der Grundsatz "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst". Nur weil der Chemiekonzern versäumt hat, sich diesen Namen zu reservieren, heißt das noch lange nicht, daß nun jeder damit machen kann was er will.

Die Frage: "Was ist wichtiger, Copyright oder Meinungsfreiheit" stellt sich doch gar nicht. Meinungsfreiheit bedeutet nicht, daß man die Rechte anderer verletzen darf. Freiheit ist immer die des andern - auch wenn es sich um einen unsympathischen Konzern-Moloch mit üblen Machenschaften handelt.

Selbstjustiz schließlich wäre es gewesen, wenn die Firma Dow ein paar Leute vorbei geschickt hätte, die beim Provider der Seite ein paar Leitungen lahmlegen. Genau das ist nicht geschehen - der Konzern hat sich mit juristischen Mitteln gewehrt, indem er seine Anwälte eingeschaltet hat. Ein Prozeß hat nur deswegen nicht stattgefunden, weil die Gegenseite eingelenkt hat.

Den Satirikern würde ich empfehlen, die Seite bei einem anderen Provider wieder ins Netz zustellen - mit einer anderen URL und leicht abgeändertem Design. Gerade bei einem unauffällig schlichten CD wie dem von Dow Chemical - weiße Flächen, sparsam bestückt mit Bildern und ein paar roten "Farbtupfern", schwarze Schrift - sollte das ein leichtes sein. Wenn dann der Chemiekonzern wieder seine Anwälte tätig werden und auch der neue Provider sich einschüchtern läßt, dann würde ich Dir insoweit recht geben, daß hier tatsächlich ein Großkonzern seine wirtschaftliche Macht dazu mißbraucht, kritische Stimmen in die Knie zu zwingen.

Nur - das war schon immer so. Das ist keine Begleit- oder Folge-Erscheinung von TCPA, Palladium, DRM o.ä.
Das gab es auch schon vor dreißig Jahren. Vor allem in den USA.

CU
Olaf