Hi allerseits,
vor kurzem wurde in einem Beitrag auf einer Nickles-Seite das
Thema "Freimaurer" erwähnt.
Was haben die denn mit PCs und Programmen zu tun?
Ich habe mal im Lexikon nachgekuckt, und ersehe daraus nur
einen Club der irgendwelche mittelalterliche Bräuche nachmacht.
Weiß jemand mehr darüber? Ich fand das jedenfalls komisch.
CU
Konstantin
Off Topic 20.204 Themen, 224.281 Beiträge
das lag mal bei mir so rum ...
Die Illuminaten - die grosse Kluft zwischen Mythos und Wirklichkeit
Manchmal gibt es merkwürdige Zufälle im Leben. Vielleicht hat der eine oder andere von Euch ja auch früher - als er jung war - Idole gehabt, und vielleicht auch welche abseits von
Bravo-Starschnitt oder ähnlichem. Ich meine eher Idole von der Art, die einen beeinflussen,
und einem helfen, zu einem neuen Standpunkt oder einer anderen Weltanschauung zu gelangen. Also jedenfalls bei mir heißen diese zwei, die mich maßgeblich beschäftigt haben,
beide Karl und kommen beide aus Hannover.
Obwohl der eine - Karl Nagel - eigentlich nichts mit den Themen auf dieser Website zu tun
hat, halte ich es aus gegebenem Anlass, leider, für unverzichtbar, seine Aktivitäten kurz zu
erläutern. Karl Nagel ist seit vielen Jahren einer der wichtigsten Kämpfer gegen den Faschismus. Mitbegründer der hannoverschen Chaostage und aktiver Politiker, nämlich
Initiator der APPD und noch vor zwei Jahren als Vorsitzender dieser Partei im Wahlkampf
gewesen. Zugegeben, seine Thesen sind ziemlich radikal und gehen teilweise über den gesetzlichen Rahmen hinaus. Ich würde auch nicht soweit gehen, dass ich jetzt alles von ihm
zu meiner eigenen Meinung machen würde. Aber ich finde es total wichtig, dass es Leute wie
ihn gibt, die aufzeigen, wo es in unserer Gesellschaft Missstände gibt, z. B. bei seinem Kampf
gegen die in den Massenmedien verbreitete Hauptsache-Kohle-und-ansonsten-Leckt-mich-am-Arsch-Einstellung.
So, ich hoffe, jetzt deutlich genug politisch Stellung bezogen zu haben. Warum das wichtig ist? Scheinbar scheint das Thema Illuminaten auf viele Rechte einen besonderen Reiz auszu-
üben. Nachvollziehen kann ich das nicht, wie auch alles andere nicht bei denen.
So, aber jetzt zu dem anderen Karl aus Hannover.
Wir alle wissen, wie sehr Karl Koch von der Idee besessen war, die Illuminaten würden bis weit in die Gegenwart hinein existieren und als Drahtzieher in internationalen Verschwörungen fungieren. Da ich wissen wollte, was wirklich an dieser Theorie dran ist, habe ich mich ausgiebig damit befasst und drei wissenschaftliche Bücher zu diesem Thema durchgearbeitet:
1. Agethen, Manfred: Geheimbund und Utopie, R. Oldenbourg Verlag München, 1984
2. Rachold, Jan: Die Illuminaten - Quellen und Texte zur Aufklärungsideologie des Illuminatenordens (1776 - 1775), Akademie Verlag Berlin, 1984
3. Reinalter, Helmut: Der Illuminatenorden, Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main, 1997
Im folgenden Text, werde ich versuchen, die wesentlichen Merkmale und Ziele des Illuminatenordens zu erläutern.
Zunächst sei gesagt: sie sind NICHT daran interessiert, die Weltmacht zu erlangen und andere zu unterdrücken. Dieser Gedanke mag dem Hirn von R.A. Wilson entsprungen sein,
und er hat den Namen und nur den (!) für seine Romane benutzt, oder sollte man besser formulieren missbraucht? Dass Karl Koch sie als Feinde angesehen hat, die er meinte bekämpfen zu müssen, kann nur daran gelegen haben, dass er von den obskuren Vor-
stellungen Wilsons einiges übernommen hat, ohne die Wahrheit über den Orden zu kennen.
Und so fing alles an:
Im 18.Jahrhundert befand sich Deutschland politisch in der Epoche der Aufklärung.
Das war so eine Art Bürgerinitiative, in der sich Geistliche, Protestanten sowie Katholiken,
viele Ärzte, Wissenschaftler und Lehrer um bessere Information und Bildung des „gemeinen
Mannes“ bemühten. In den fünfziger Jahren entstand eine neue Art von Literatur, die versuchte, die Leute mit Informationen zu beeinflussen. Denn die Fürsten regierten das Volk
mit harter Hand. In einem zeitgenössischen Brief stand: “Regiert sein, das heißt unter poli-
zeilicher Überwachung zu stehen, inspiziert, spioniert, dirigiert, mit Gesetzen überschüttet, reglementiert, eingepfercht, belehrt, bepredigt, kontrolliert, eingeschätzt, zensiert, komman-
diert zu werden..., bei jeder Handlung, bei jedem Geschäft bei jeder Bewegung notiert, registriert, erfasst, taxiert, gestempelt, vermessen, bewertet, versteuert, patentiert, lizensiert, autorisiert, befürwortet, ermahnt, verhindert, reformiert, ausgerichtet, gestraft zu werden.“
Die von den Aufklärern als wertvollstes Menschen- und Bürgerrecht angesehene Denk-, Rede- und Druckfreiheit war durch Zensurgesetze stark eingeschränkt. Vor diesem Hinter-
grund wurde der Illuminatenorden 1776 durch den damals 28-Jährigen Adam Weishaupt, Professor der Rechte in Ingolstadt, gegründet. Nach noch nicht einmal zehnjährigem Bestehen
wurde der Orden durch den bayerischen Kurfürsten verboten.
Obwohl nicht sicher nachweisbar ist, dass der Orden auch nur ein einziges Mitglied in Frank-
reich gehabt hat, stellte ein Zeitgenosse (Abbe Barruel) die These auf, nach der die Französische Revolution durch ein Komplott von Freimauerern, insbesondere von Illuminaten, nach einem geheimen Plan „gemacht“ worden sei.
1780 wurde Freiherr Adolf von Knigge, Verfasser des Buches über den Umgang mit Menschen, Mitglied. Erst durch ihn gelang es, den Orden auf Nord- und Westdeutschland sowie das europäische Ausland zu erweitern. In Österreich und Salzburg gab es bereits Hunderte von einflussreichen Illuminaten. Die Blütezeit des Ordens ist nur von kurzer
Dauer. 1784 scheidet Knigge nach einem langen und erbitterten Streit mit Weishaupt aus, der aus Neid unaufhörlich gegen diesen unentbehrlichen Helfer intrigiert hat.
In Weishaupts Korrespondenzen über die Ziele des Ordens findet man von Rousseau beeinflusste Deklamationen über die Verderbtheit des Gesellschaftszustandes, in dem die Menschheit durch die Staaten unterdrückt werde. Die Staatsform sei belanglos; es komme nur auf die moralische Besserung der Menschen an, wie sie der Orden anstrebe. Er will das Erziehungswesen, die öffentliche Meinung der Gebildeten bestimmen und im Rahmen der
bestehenden Staatsformen einen möglichst grossen Einfluss auf die Fürsten und Regierenden erlangen und die Schlüsselstellungen in den Staaten mit Illuminaten besetzen.
Ein Zitat von Weishaupt:“ Wer alle Menschen frey machen will, der vermindere ihre unedlen Bedürfnisse, deren Befriedigung nicht in ihrer Gewalt ist; der mache sie aufgeklärt, muthig und verschaffe ihnen strenge Sitten; der lehre sie Mäßigung, Nüchternheit, und die große Kunst vernünftig zu begehren“. Nach Weishaupt ist die Verwirklichung dieses Zieles möglich, da der Mensch nicht von Natur aus „böse ist und sein Heil nicht durch Unterjochung erlangt“.
Weishaupts Anliegen ist nun keinesfalls zu verwechseln mit einer Theorie bzw. einem politischen Programm, in dem das Volk selbst Wegbereiter, Träger und dann auch der letztlich entscheidende Ausführende der hier für notwendigen Organisationen gewesen wäre. Der Weg des Illuminatenordens war gerade nicht die Erhebung des Volkes, sondern ein Verfahren, das wir heute etwa mit „langer Marsch durch die Institutionen „bezeichnen würden.
Die 1784/85 einsetzende Verfolgung der Illuminaten in Bayern und die entsprechenden Verbote brachten den Orden in so schwere Bedrängnis, dass er sich im April 1785 offiziell ausser Tätigkeit setzte. Gleichwohl blieben mehrere Niederlassungen der Illuminaten, besonders im norddeutschen Raum, bis etwa 1787/88 aktiv.
Im Jahre 1813 berichtete Weishaupt über den preußischen „Tugendbund“ als Triebkraft der anti-napoleonischen Bewegung. Immer wieder betonte er seinen bayerischen Patriotismus, seine Uneigennützigkeit aber auch seine materielle Bedürftigkeit. Bis zu seinem Tode im Jahr
1830 blieb er in Gotha.
So, das war das, was mir aus den drei o. g. Büchern als Wichtigstes erschien, kurz zusammengefasst. Demnach ist Weishaupt also nicht irgendwann nach Amerika ausgewandert und hat sich als George Washington ausgegeben, nachdem er ihn beseitigt hatte. Ich habe eine Biografie Washingtons gelesen, um zu erfahren,
ob es irgendwelche Ungereimtheiten in seinem Lebenslauf gab. War aber nicht der Fall.
Ausserdem könnte ich mir vorstellen, dass zumindest seiner Ehefrau ein Licht aufgegangen wäre, hätte sich plötzlich jemand anders als ihr Gatte ausgegeben.
Und jetzt noch zur 23: in keinem der Bücher war auch nur ein Wort über Nummerologie zu finden. Weder über die 23 noch über eine andere Zahl. Das alles ist wohl eine Erfindung Wilsons. Obwohl ich zugeben muss, das mich einige Sachen auch stutzig machen, z. B. dass der Tag der Dt. Einheit der 3.10.1990 (Quersumme 23) ist, oder das Datum der Verabschiedung des Grundgesetzes am 23.5.1949. Und überall nach weiteren „Zeichen“ zu suchen ist schon verführerisch, das gebe ich zu, und lange bin ich dieser „Sucht“ auch selbst erlegen. Aber man kann ziemlich sicher sein, dass zumindest die Illuminaten damit überhaupt nichts zu tun haben.
Abschließend möchte ich noch auf die Hauptperson dieser Website eingehen. Lange habe ich mich gefragt, was eigentlich die Leute so an Karls Geschichte fasziniert. Ich glaube, es lag auch mit daran, dass er als kleiner Niemand (sozusagen ) die beiden Grossmächte USA und Russland gegeneinander ausspielen konnte, ins Weltgeschehen eingreifen konnte, naja fast zumindest. Und dann kommt noch hinzu, dass er meinte, die Welt würde bedroht werden von geheimen Mächten, und er müsste die Menschheit davor retten, oder ihnen zumindest die Augen öffnen. Immer wenn ich das Stück „Liebesbrief“von Thomas D. höre, und die Stelle „Weil die, die reinen Herzens handeln, unsre grössten Helden sind“ kommt mir dabei Karl in den Sinn.
Die Nachricht, die vor einigen Tagen ins Forum geschrieben wurde, hat mich sehr gefreut, deshalb will ich sie hier noch einmal teilweise wiederholen: Lasst Karl nicht zur Comicfigur werden oder zum Spielball kommerzieller Interessen. Werdet seinem Andenken gerecht. Wäre schön, wenn das bei einigen Leuten ankommen würde...