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Reisebericht Hamburg 2015 - langwierigen Rechtsstreit gewonnen

Michael Nickles / 11 Antworten / Flachansicht Nickles
Oberlandesgericht Hamburg. (Foto: mn)

Wie kürzlich angekündigt war ich eine Woche in Hamburg. Es ging um die Fortsetzung des kostspieligen und langwierigen Rechtsstreits, den die Nickles.de GmbH seit 2010 mit einem Schweizer Unternehmen führt.

Diesmal war die "Berufungs-Runde" bei der Pressekammer des Oberlandesgerichts Hamburg angesagt

In der Vorinstanz beim Landgericht haben Nickles.de und ich (sowohl mein Unternehmen als auch ich privat wurden verklagt) größtenteils verloren, nur bei einem  Klagepunkt von drei gewonnen.

Emotionale Unterstützung hatte ich von Olaf19, der mich begleitet und sich die öffentliche Show als Zuschauer reingezogen hat. Die Entscheidung des Gerichts wurde am 18. August 2015 verkündet, drum habe ich mit der Veröffentlichung des Reiseberichts hier noch abgewartet.

Das Urteil: Nickles.de hat den Rechtsstreit gegen ein "auf Ermittlung von Urheberrechtsverletzungen" spezialisiertes Schweizer Unternehmen in sämtlichen Klagepunkten gewonnen. Das größtenteils abweichende Urteil der Landgericht-Vorinstanz wurde entsprechend abgeändert. Die unter anderem abgemahnte Bezeichnung "Massenabmahner" darf ich nach dem "Gerichtssieg" jetzt zwar wieder schreiben, aber ich lasse es mal lieber, bevor die Scheiße von vorne losgeht.

Der Kläger hat sämtliche Kosten des extrem kostspieligen Verfahrens zu tragen, die ich aktuell auf rund 25.000 bis 30.000 Euro schätze.

Der Sieg ist leider kein wirklicher Sieg. Denn es gibt einen üblen Beigeschmack. Mir wurde eine Lektion erteilt, die ich nie mehr vergessen kann, die immer im Hinterkopf bleiben wird, wenn ich etwas schreibe: wer im Internet irgendwas publiziert, der wird juristisch exakt wie ein großer Verlag behandelt, es werden enorme "Streitgegenstandswerte" angesetzt, die das Verfahren immens teuer machen.

Ein "kleiner Blogger" wird bereits in der ersten Runde hinschmeißen und lieber Einknicken und eine Unterlassungserklärung abgeben, um es mit ein "paar Tausendern" hinter sich zu haben. Wird nicht hingeschmissen, dann droht ein endlos langer und teurer Prozess.

Der betreffende Beitrag muss derweil entfernt werden und es darf nicht berichtet werden. Das verschafft Unternehmen mit dem nötigen "Kleingeld" eine exzellente Chance sich unerwünschte Berichterstattung für lange Zeit vom Hals zu schaffen - und sein Treiben derweil fortzusetzen.

Wer kapieren will, was presserechtlich in Hamburg eigentlich so abgeht, der sollte sich wie bereits mehrmals von mir empfohlen unbedingt den Telepolis-Bericht von Rechtsanwalt Markus Kompa reinziehen: Hamburg hört in Karlsruhe auf. Ich hatte wohl großes Glück, dass es in meinem Fall nicht bis vor den Bundesgerichtshof gehen musste.

Einen ausführlichen Bericht über den Rechtsstreit behalte ich mir für demnächst vor. Hier jetzt erstmal die reine Hamburg-Reisestory...

Cooles Zimmer imHotel Pyjama. (Foto: mn)

Hamburg. Das war jetzt das vierte Mal, dass ich dort war. 1996/1997 zwei Mal je 3 Wochen im Rahmen meiner journalistischen Ausbildung, dann nach gut 16 Jahren Pause 2013 zur ersten Verhandlung beim Landgericht in der Sache.

Bislang bin ich immer im Stadtviertel St. Georg nahe dem Hauptbahnhof abgestiegen, diesmal aber mittenrein in St. Pauli, direkt auf der Reeperbahn ins Hotel Pyjama, das ich durch einen Hotel-Preisvergleicher gefunden hab. Sieben Übernachtungen haben rund 350 Euro gekostet, wofür ich allerdings Etagen-WC und Bad in Kauf nehmen musste, was sich allerdings nur 3 Zimmer pro Etage geteilt haben - also überschaubar.

Das Zimmer war schlicht aber phantasievoll und toll gestaltet eingerichtet, ich habe mich sehr heimisch gefühlt. Dass das mit dem kostenlosen WLAN im Zimmer nicht brauchbar geklappt hat, übersehe ich hier mal. Gesamtnote: 4 von 5 Sternen.

Eigentlich sogar eher 4,5 von 5 Sternen, wegen der fantastischen Lage. St. Pauli und die Reeperbahn sollen, wie mir gesagt wurde, exakt die Orte sein, an die der typische Hamburger eigentlich nicht hingeht. Das mag so sein, für mich war es aber ein tolles Real-Kino-Erlebnis. Zwei Häuser neben dem Hotel war die "Live-Kneipe" Cowboy und Indianer in der es täglich bis in die Puppen Live-Musik (Blues/Rock) gab, Eintritt kostenlos, perfekt für ein "noch mal Wachwerden" vor dem Tagesfinale.

Alternativ bot sich nebenan "Der Clochard" an, der sich als die "billige Kneipe auf der Meile" bewirbt - und der diesen Anspruch ohne jedes Wenn und Aber erfüllt. Ich war zweimal dort, hab ein paar Bier getrunken, hab lustige Leute kennengelernt und viel Spaß gehabt.

Typische Hauswandkunst in Hamburg. In München unvorstellbar. (Foto: mn)

Bummeln durch St. Pauli und über die Reeperbahn macht Spaß. Außer den Stripläden, der Straßenprostitution, Punks und Obdachlosen die den Gehweg zum Wohnzimmer gemacht haben und viel ganz normalem Leben dazwischen, gibt es eine irre Vielfalt an Kneipen und Musik-Clubs.

Außerdem irre viele Hamburger- und Döner-Buden und natürlich die Getränkekiosks, die eine 0,5er Dose Alster-Bier für rund 2 Euro rüberlassen - quasi 24 Stunden rund um die Uhr. Diese 2 Euro pro Dose sind eine Art Standardpreis - billiger gibt es bestenfalls warmes Bier aus Plasikflaschen im Supermarkt. Auch bezüglich Souvenirläden und Sex-Shops ist das Wort "Ladenschlusszeit" eines der Worte, die in Hamburg nicht existieren.

Eintrittsmarkierung für die 99 Cent Bar. (Foto: mn)

Über die Reeperbahn bummeln ist die eine Sache. St. Pauli am Wochenende nachts ab 0 Uhr erleben, eine ganz andere. Dann wird einem in München lebenden Menschen wie mir klar, dass er in einem Sarg lebt. Das Stadtviertel wird zu einer gigantischen Partyzone, eine vergleichbare kenne ich nicht.

Ich bin Freitagnacht dann irgendwann auf der großen Freiheit in einem Laden gelandet, wo jeder Drink 99 Cent kostet: die 99 Cent Bar. Dort habe ich ein paar coole Leute kennengelernt: Mohammad und seine Freunde aus Syrien. Wir sind dann zusammen durch die Nacht gezogen und haben ordentlich gefeiert.

Riesenrad in der neuen Hafenstadt. Bin trotz Höhenangst mitgefahren. (Foto: mn)

Natürlich war ich auch abseits von St. Pauli viel in Hamburg unterwegs, wobei sich das Stadtrad als empfehlenswertes Transportmittel erwiesen hat. Wie fast immer bin ich eher planlos losgezogen und habe mich treiben lassen, keine speziellen "kommerziellen" Touristenattraktion besucht (vom Riesenrad in der neuen Hafenstadt mal abgesehen). Hamburg selbst ist wie gesagt Kino genug, da braucht es keine Museen und dergleichen.

Besonders gefreut hat mich auch der Besuch bei den "GEZ-Gegnern" in Hamburg, die mich spontan zu ihrem Runden Tisch eingeladen haben, weil sie über Nickles.de mitkriegten, dass ich grad in Hamburg bin. Dabei hatte ich dann auch die Gelegenheit Rechtsanwalt Thorsten Bölck kennenzulernen, der besonders hartnäckig gegen die Zwangsgebühr kämpft, selbst geklagt hat und auch Mitglieder des Runden Tischs in München vertritt.

Am Elbstrand. (Foto: mn)

Ein Blog-Beitrag reicht kaum aus um alle Erlebnisse einer Woche in Hamburg zu beschreiben, ich war viel unterwegs, mehrfach natürlich in Begleitung von Olaf. Unter anderem am "Elb-Strand". Das ist eine bizarre Mischung aus schön und grausam.

Es ist halt schön, wenn man bei brühend heißem Sonnenwetter am Strand liegen kann. Aber es ist grausam, weil man nichts ins Wasser kann (es besser nicht sollte) weil die Elbe einfach zu schmutzig ist.  Vielleicht bin ich von den zig vergleichweise sauberen Seen hier im Münchener Norden auch zu verwöhnt.

Von Hamburg zurück nach München bedeutet wie gesagt leider weg vom Leben, rein ins Mausoleum. München ist sauberer, dafür aber spießiger. Wenn in Hamburg die Party anfängt, müssen in München zwangsverordnet auch im Hochsommer die Gehsteige hochgeklappt werden und die "Biergärten" machen dicht. Ich werde mir auf jeden Fall alle Weile wieder eine Brise Hamburg gönnen.

Rückflug nach München. (Foto: mn)

Zurück ging es Montagabends mit dem letzten Flug um 20 Uhr nach München. Ankunft war pünktlich um 21.20 Uhr. Bis nach Hause (eine Handvoll SBahn-Stationen, ca 20min Fahrzeit) hat es dann aber bis fast Mitternacht gedauert - weil der Münchener Verkehrsverein MVV ein Saftladen ist.

Dass es ständig Verspätungen gibt oder Ausfälle, Bahnen oder Busse einfach gar nicht kommen, ist dabei vielleicht noch verzeihlich.

Nicht verzeihlich ist aber die schamlose Verarschung der Kundschaft. Der MVV kriegt es nicht gebacken seine elektronischen Anzeigentafeln ehrliche oder irgendwie brauchbare Informationen anzeigen zu lassen. Da steht beispielsweise "nächster Zug kommt in 9 Minuten" und das steht dann gerne auch mal eine Stunde so dort.

Gekrönt wird die Verarschung durch die "MVV-App", die eigentlich live anzeigen soll was abgeht aber genau das nicht tut. Sie ist im Fall von Ausfällen oder Verzögerungen einfach sinnlos.

Dass die Entwickler der vermutlich drecksteuren App keinen blassen Schimmer davon haben, wie eine App Richtlinien-konform bedienbar programmiert wird, darüber mag ich mich erst gar nicht aufregen. Vielleicht kriegt es der MVV ja noch hin. Irgendwann.

Der Rechtsstreit ist jetzt war rum, aber ich habe beschlossen mindestens ein Mal im Jahr wieder rund eine Woche in Hamburg zu verbringen. Es wird also weitere Hamburg-Reiseberichte geben.

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Wäbbel Olaf19 „Naja Mike hätte den Kram zu jedem Zeitpunkt hinschmeißen und ...“
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Hi Olaf,

aufgeben kann man natürlich immer, aber ist aufgeben eine Option?

Ich kenne den natürlich Sachverhalt viel zu wenig, als dass ich mir eine Meinung über die Erfolgsaussichten seines Vorgehens erlauben könnte. Nachdem die Gegenseite aber vor dem OLG offensichtlich ordentlich abgestraft wurde, scheinen sie ja nicht sooo schlecht gewesen zu sein ;-)

Im Übrigen hätte er ja zumindest das Lehrgeld über die Steuer abfedern können...

Insgesamt: Mike hat offensichtlich alles richtig gemacht!

Grüße in den Norden

Wäbbel

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