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IFA 2014 - Größenwahn, Gimmicks und Verzweiflung

schuerhaken / 11 Antworten / Flachansicht Nickles

Mir war das Glück beschieden, dass ich bei jemandem mitreisen sollte und mich vom frühen Vormittag bis zum späten Nachmittag auf der IFA 2014 in Berlin aufhalten konnte.

Weil ich zu „begleiten“ hatte, war ich nur beschränkt frei im Aussuchen der Stände, wo ich mich gern umgesehen hätte. Doch auch so kam etwas Interessantes dabei heraus: Die IFA predigte überwiegend ein „größer“, „schneller“ und „mehr“, als sei schon das ein „Fortschritt“. (Dabei  denke ich auch gern an einen riesengroßen TV-Flachmann bei einem alleinlebenden Bekannten, wo das Guck-Ungetüm eine Ecke des vielleicht 4x4 Meter messenden Wohnraums in einer alten Zechensiedlung regelrecht versperrte und sinnvollerer Nutzung entzog.) Vieles auf der IFA schien nur eine mühselige Antwort auf die Frage zu sein: „Geht noch was?“ An vielen „Neuheiten“ klebt die Patina von Verzweiflungstaten.

Welch ein Horror, wenn auf einem 5-zölligen Smartphone eine völlig grafiklastige Webseite beim Aufrufen mal ein ganz klein wenig ruckelte. Wie ungeheuer wichtig, dass auf einem Smartphone auch ein hochkomplexer Game-Buster in höchster Auflösung „flüssig“ läuft. So etwas brauchen wir unbedingt, insbesondere mit möglichst vielen Totschieß-Übungen, um unser kulturelles Niveau zu heben und im beruflichen Alltag sowie im globalen Wettstreit zu bestehen. 

Quasi als abschließenden Nackenschlag (allerdings schon auf dem Rückflug) verpasste mir die PC-WELT mit ihrem Webauftritt eine neue Erkenntnis: „Presse“ (zumindest in diesem Fall und hier im Internet) als herausragend reine Werbeveranstaltung für die auf der IFA vertretenen Anbieter; „Journalisten“ beim „Hands-on“ als „Werbe“-Plappermäuler. Im  IFA-Spezial ein Video nach dem anderen. Bei den meisten Videos musste man erst eine vorgeschaltete Werbung überleben (häufig von NIVEA, Microsoft oder Telekom), dann den ätzenden Trailer der PC-WELT aushalten, bis endlich ein Video zu genießen war, bei dem Bezeichnungen wie „knackig“ oder „scharf“ oder „gut in der Hand“ vorherrschten. Insbesondere auch bei einem Video zu einem neuen HUAWEI-Smartphone…

Das erinnerte mich an meinen Besuch bei der Telekom. Die alten Freunde waren nicht mehr zugegen… – entweder pensioniert oder gar nicht mehr auf Erden. Doch einen neuen Freund konnte ich gewinnen, der mir von „MagentaEINS“ die Ohren voll schwärmte. Mit MagentaEINS, hieß es, biete die Telekom nun attraktive Pakete an, welche Mobilfunk und Festnetz nahtlos miteinander verschmelzen. Zum Abschied überließ er mir noch eine SD-Karte mit Informationen zu Huawei, deren Geräte T-Mobile in den USA über lange Zeit vertrieben hatte. Und zwar bis zu dem Bruch wegen brutaler Werksspionage. Huawei hatte T-Mobile derart ausgenommen und die Grundlagen für den Test-Roboter „Tappy“ ausspioniert, dass der chinesische Hersteller nun in den USA auf viele Millionen als Schadenersatz verklagt wurde. (Das File von der Karte habe ich hier einmal hochgeladen. Die Klage liest sich wie ein Krimi, allerdings auf Englisch.)

Bei Samsung (wo es auf dem Stand so warm war wie in einer Sauna) erntete ich wenig Sympathie mit der Frage, wie es denn mit der Auflösung und den Bildschirmgrößen weitergehen solle und wozu 4k bei einem 40-Zöller gut sein solle. „Bis zu welcher Auflösung kann das menschliche Auge bei einem ratsamen Betrachterabstand die kleinen Treppen bei den Pixeln noch wahrnehmen?“ fragte ich. Das sei nicht die Frage, hieß es, der „Fortschritt“ sei nicht aufzuhalten und allein wegen der „Konkurrenz“ auch nötig. Den Sinn dahinter verstand ich durchaus. Ob man bei einem 43-Zöller statt mit FullHD bei 1920x1080 Pixeln mit 4k besser bedient sei? Nicht unbedingt, aber bei dem 65-Zöller mache das durchaus schon Sinn. Soso, und der 65-Zöller – der da zu sehen war – habe deshalb schon 4k? Nein, noch nicht, der sei FullHD, nicht UHD.

Bei SONY war von dem einstigen Marktgiganten nur der Gigantismus übrig geblieben. Der zeigte sich auch durch den IFA-Stand. Aber das musste so sein, denn alle großen Marken setzten auf große Dimensionen. Aber „4k in Kurvenform“ hatten auch andere. „Sony setzt zukunftsweisende Maßstäbe in allen Produktbereichen“ mochte stimmen, jedoch nur in Bezug auf die eigenen Produktlinien und deren Verbesserung. „It’s a SONY“ hat längst nicht mehr den Klang wie ein „It’s a Mercedes“. Insofern machte mein „Gastgeber“ auch nur einen Pflichtbesuch mit kurzen Shakehands.

Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass Windows 8.1 sich auf weiterem Vormarsch befindet. Einige Hersteller zeigten Neues mit Windows 8.1 ganz vorn auf dem Präsentierteller, andere wiederum hatten es zwar „jetzt auch“, ließen den Anblick ihrer Teile aber nur im kleinen Kämmerlein zu. Sozusagen auch nur „im OFF“. Doch schielten alle eindeutig auf das „Weihnachtsgeschäft“, das in der weiten und großen muslimischen Welt wohl kaum eine Bedeutung hat. „Weihnachtsgeschäft“ steht wohl eher nur für „Jahres-Endspurt-Saison“; und die gilt weltweit. Allen voran haut ASUS für weniger als 200 Euro mit einem Vierkerner in einem 11,6"-Netbook (YouTube-Video zum EeeBook X205)

Quelle: YouTube-Video zum EeeBook X205
 ...auf den Putz, das unter einem Kilogramm wiegt und auf dem Windows 8,1 tatsächlich sehr gut läuft. Wird dadurch eine Messlatte für die Konkurrenz aufgestellt? Jedenfalls waren alle Fachbesucher in ihren Blogs und Videos sehr beeindruckt. Und: Was steht da noch dem "One child - one notebook" im Wege? Sollte nicht jeder Schüler ein solches Notebook besitzen und bei Bedürftigkeit sogar von der Schule gestellt erhalten?
AVM-Pressefoto

Im Vormarsch, doch eher weiterhin verzettelt, steht die „Haus-Automation“. Einzig Samsung spricht von einem durchgehenden Konzept „aus einer Hand“ und spricht von einem „smarten  Zuhause“. Um das „Internet der Dinge“ in Fahrt zu bringen, hat sich Samsung mit anderen Unternehmen und vor allem mit INTEL zusammengetan. Sie wollen ihre Kräfte bündeln und ein neues Industriekonsortium für die Verbesserung der „Interoperabilität“ und Grunddefinitionen bei den „Konnektivitätsanforderungen“ schaffen. Angesichts der Milliarden von Geräten, die für das Internet der Dinge (IoT) ausgerüstet werden sollen ein verlockendes Geschäft. Dann mag es auch bei der „weißen“ Ware und den Möbeln wieder einmal richtig brummen. – Doch auch AVM steht mit neuen Modellen - und überzeugend - bereits in den Startlöchern, um "my home is my castle" bröckchenweise und dennoch umfassend zu vernetzen.

Derweil treten sich die Konkurrenten bei Smartphones, Tablets, Note- und Netbooks sowie Convertibles, die sowohl Notebook wie auch Tablets sein können, gegenseitig auf die Füße. Die Produktzyklen sind kurz und werden immer kürzer, weshalb die Hersteller hoffen, aus ihren Produkten weitgehend auch einen Modeartikel machen zu können, dessen Verlockungen die Konsumenten von Zeit zu Zeit erliegen. Deshalb auch die verbreitete neue Farbenpracht, die bei gleichen Modellen eine Auswahl nach Lieblingsfarbe ermöglichen soll. Dabei bezieht sich der Unterschied letztlich nur auf die Farbe des Gehäusedeckels.

Was noch? – Ach ja, INTEL! – Dieses Unternehmen mit grundlegenden Technologien setzte enorm auf Show. Was wollten die armen Leute auch machen? Ihre Produkte sind Herzstück von unzählbar vielen Geräten auf der Welt, mit denen erst recht unzählbar viele Menschen die trivialsten und tollsten Dinge anstellen, mit denen sie sich Arbeiten erleichtern oder ihre Freizeit angenehm gestalten. Was zeigt man da? Eine CPU? Einen Chipsatz? Ein Mainboard? – Nein, man zeigt, was alles mit den Herzstücken geht, was mit ihnen erreicht werden kann. Also blitzte und schallte es bei Intel, also schoben sich imposante virtuelle Realitäten als „Event“ in die Realitäten von IFA-Besuchern, die auch ihren Spaß haben wollten. Besonders die jüngere Generation wurde angesprochen und begeistert. Die ältere war oft mit ihren Nerven eher schon am Ende und anderweitig bereits erschöpft.

Aber ein leckeres Bonbon hatte Intel auch noch zu bieten: Den neuen „Core M“-Prozessor. Der benötigt wenig Strom, erwärmt sich wenig und arbeitet schneller. Gefertigt wird er in 14-nm-Technik und unter Anwendung neuer Tricks. Zum Beispiel werden Leiterbahnen viel schmaler, dafür aber „höher“, und es passen viel mehr Schaltungen auf eine Einheit. Die ist dann nur noch etwa halb so groß wie vorher. Damit will und könnte INTEL einen neuen und bedeutsamen Schub für die Leistungen von kleinen sowie billigen Notebooks und schnellen Tablets mit hoher Auflösung bringen. Eine Grafik mit beachtlichen Daten ist bereits integriert. Das alles lüfterlos belastbar. Und ohne „FullHD“ gibt es bald nichts mehr außer im ausgesprochenen Billig-Segment

Weil in der Maschine WLAN zugänglich war, wurde die Rückreisezeit dazu genutzt, in den herausragenden Internet-Informationsquellen nach IFA-Nachrichten zu stöbern. Die Ergebnisse waren erstaunlich. Sie ausgiebig und methodisch zu nutzen könnte darauf hinaus laufen, dass man sich den Aufwand und die Strapazen eines „echten“ Besuches von Ausstellungen und Messen ersparen kann. Google soll ja bereits daran arbeiten, eine Welt ähnlich Streetview für Messen zu basteln, für die man sich als „Aussteller“ eine Platz buchen kann. Sich als Besucher von Stand zu Stand „beamend“ kann man dann über eine Spracheingabe virtuelles Standpersonal befragen, um sofort in Wort und Bild eine ausführliche und vielleicht auch erschöpfende Antwort zu erhalten. Ohne Stress.

Fragt sich jetzt schon, was dann bei Google der „Eintritt“ kostet.

(Für InteressierteHIER.)
(TechStage: 15 bis 18 Uhr Livestream )

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