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News: Offener Brief

Springer-Chef beklagt: bald gehören wir alle Google

Michael Nickles / 17 Antworten / Flachansicht Nickles

Der Springer-Vorstandvorsitzende Mathias Döpfner hat sich mit einem offenen Brief an Google Chef Eric Schmidt gewandt. "Bald gehören wir alle Google", leitet Döpfner seinen Brief ein und erklärt, dass man sich vor Google fürchte.

Eingang zum Axel-Springer-Haus, Hamburg. (Foto: mn)

Mathias Döpfner: "Wir haben Angst vor Google. Ich muss das einmal so klar und ehrlich sagen, denn es traut sich kaum einer meiner Kollegen, dies öffentlich zu tun. Und als Größter unter den Kleinen müssen wir vielleicht auch in dieser Debatte als Erste Klartext reden."

Der Briefwechsel begann konkret mit einem Beitrag der FAZ namens Angst vor Google. Darin wurde nachgefragt, warum niemand gegen diesen Monopolisten Widerstand leistet. Google könne machen was es will, es böte Suchergebnisse an, die ihm selbst nutzen und sei durch seine marktbeherrschende Macht eine Gefahr für die Gesellschaft.

Es wurde konkret der Vorwurf erhoben, dass Google in seinen Fundlisten und bei Werbung auf mobilen Geräten, seine eigenen Vermarktungsinteressen pusht, bessere Inhalte/Suchtreffer nicht unbedingt relevant sind.

Auf diesen Beitrag hat Google-Chef Eric Schmidt wenige Tage später reagiert, die Zusammenarbeit von Verlagen mit Google als Chance des Wachstums verteidigt. Aus Schmidts Sicht, bringt Google den Verlagen Leser, leitet monatlich mehr als zehn Milliarden Klicks an Verlage weiter und schaffe über das Werbepartnerprogramm Adsense echten Umsatz für Verlage. Statt Regulierungen (Stichwort Leistungsschutzrecht)m seien innovative Geschäftsmodelle der bessere Weg für die Zukunft.

In seinem jetzt erfolgen Antwortschreiben zieht Springer-Chef Döpfner vor Google durchaus den Hut. Google habe die größte Suchmaschine der Welt, die größte Videoplattform (Youtube), den erfolgreichen Browser Chrome, den meistgenutzten Email-Dienst (Gmail) und das größte Betriebssystem für mobile Geräte (Android).

Springer steckt laut Döpfner in einer Situation, die durchaus als "schizophren" zu bezeichnen sei. Einerseits wurde eine europäische Kartellklage (wegen Leistungsschutzrecht) gegen Google durch Spingers Mitwirken gestartet. Andererseits profitiere Springer durch Google-generierten Traffic und durch die Vermarktung seiner Restplätze durch Google-Online-Werbung.

Das sei aber schlichtweg so, weil es einfach keine Alternative gibt. Wie auch andere Verlage, sei  Springer schlichtweg zur Kooperation mit Google gezwungen. Und es gibt auch keine Alternative zur Suchmaschine Google (Marktanteil in Deutschland 91,2 Prozent), um Traffic zu generieren.

Döpfner beklagt, dass mit Google kein Reden auf Augenhöhe möglich ist, die Geschäftsbeziehung die eines "Goliath Google zu dem David Axel Springer" sei. Wenn Google an seinem Suchalgorithmus rumexperimentiert, kann das für Webpräsenzen bedeuten, dass ihre Abrufzahlen binnen weniger Tagen um bis zu 70 Prozent einbrechen, was unmittelbare entsprechende wirtschaftliche Konsequenzen hat.

Döpfner erklärt, dass es sich bei diesem Beispiel um einen realen Fall eines Tochterunternehmens von Springer handelt. Und: es sei sicher Zufall, dass es sich bei diesem Tochterunternehmen um einen Wettbewerber von Google handelt.

Gegen Ende seines offenen Briefs widmet sich Döpfner auch dem Aspekt des "hohen Preises der Gratis-Kultur".  In der schönen bunten Google-Welt werde vieles als kostenlos empfunden: Suchdienstleistungen, journalistische Verlagsangebote. Dabei sei den Gratis-Fans nicht klar, welch  hohen Preis sie eigentlich bezahlen, weil sie durch Auswerten ihres Internetverhaltens berechenbar werden. Döpfner nennt ein konkretes Beispiel:

"Wer heute einen Autounfall hatte und das in einer E-Mail schreibt, kann morgen das Angebot eines Herstellers für einen Neuwagen auf sein Handy gesendet bekommen. Schrecklich praktisch.

Wer heute auf Websites über Bluthochdruck surft und über sein Fitnessarmband Jawbone automatisch seine notorische Bewegungsarmut verrät, kann übermorgen eine höhere Gesundheitsversicherungsprämie gewärtigen. Gar nicht praktisch. Nur schrecklich."

Michael Nickles meint: Um das Rezept gleich vorwegzunehmen, das hier garantiert gebracht wird: Adblocker- und Script-Blocker installieren, fertig. Damit ist die Scheißwerbung weg, Google kann nichts verfolgen und das Problem ist gelöst. Wer so denkt, hat das entscheidende Problem nicht geschnallt.

Die enorme Informationsvielfalt im Internet bringt nämlich auch der "Generation gratis" nichts, wenn  wirklich gute Inhalte nicht mehr gefunden werden. Oder: der Zeitaufwand immer größer wird, bis endlich eine vertrauenswürdige Information gefunden wird. Bereits vor drei Jahren, habe ich über die Qualität der Google-Suchergebnisse berichtet (TEST: Ist Google reif für die Tonne?)

Zwischenzeitlich gab es Berichte, dass Google seine Suchergebnisse optimieren will, damit relevante Ergebnisse weiter oben landen, "Informations-Spammer" und "Link-Fabriken" das Nachsehen haben. Ein Dreck ist passiert.

Jeder, der bis 3 zählen kann, wird bestätigen können, dass die Suchergebnisse von Google immer beschissener werden. Ganz oben befinden sich eigentlich nur noch Werbung, Preisvergleicher und Fundergebnisse von so modernen "Frage und Antworten"/"Wissens"-Fabriken. Wenn eine kurze Frage dort eine kurze dumme Antwort kriegt, ist das für Google inhaltlich relevant genug für die Top-Platzierung (falls nicht irgendeine halbwegs relevante Werbung drüber passt).

Oder: richtig treffende Antworten werden gar nicht gefunden. Oft findet Google auch uralte Sachen, obwohl es deutlich neuere gibt. Irgendwie hat man fast den Eindruck, also ob Google es gar nicht will, dass Suchende schnell zum optimalen Ergebnis kommen. Dann klicken sie mehr, erzeugen mehr Traffic und konsumieren nebenbei auch mehr Werbung.

Noch mal konkret zur Gefahr der Allmacht von Google. Auch bei Nickles.de haben wir es wiederholt erlebt, dass die Abrufzahlen schlagartig gravierend zusammenbrachen - und das dann stets langfristig so blieb. Wenn Google an seiner Suchmaschine rumbastelt, dann kann das halt verheerende Folgen für Webpräsenzen haben.

Betroffene Webpräsenzen haben dann ganz einfach Pech gehabt. Es gibt keinen Google-Ansprechpartner für solche Fälle. Google schert es einfach einen Dreck, welche finanziellen Konsequenzen sich für andere ergeben.

Und wie auch Springer-Chef Döpfner feststellt ist das fatal, weil es eben keine Alternative zu Google gibt. Wenn Google eine Webpräsenz aus welchen Gründen auch immer nicht mehr findet, oder nicht mehr finden mag, dann stirbt sie halt. Diese Allmacht sollte jeden nachdenklich machen.

Der offene Brief von Springer-Chef Döpfner wird in der Netzgemeinde bereits heftig diskutiert und ich lese einen ziemlich klaren Trend: eine gewaltige Freude darüber, dass es die "Bildzeitung" von Google richtig aufs Maul kriegt, dass sie nur Angst hat, ihre Meinungsbildende Vorherrschaft einzubüßen.

Also: besser Google als Bild. Wer es so sieht, der hat das echte Problem einfach nicht kapiert. Es geht hier nicht um die "Bild", es geht um alle Inhalte im Internet. Wer hier sinnvoll mitdiskutieren will, sollte sich den sehr ausführlichen offenen Brief unbedingt erst mal komplett durchlesen.

 

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