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News: Inkompetenz oder Faulheit?

Porno-Abmahnskandal: Richtern reichte lächerliches Gutachten

Michael Nickles / 12 Antworten / Flachansicht Nickles

Die Lächerlichkeit des Redtube-Abmahnungsskandals ist erneut gesteigert worden. Und zwar durch die Veröffentlichung eines Gutachtens, das als Beweis dienen soll, dass die IP-Adressen der Redtube-Abgemahnten ordnungsgemäß ermittelt wurden.

Bekannt ist bereits länger, dass "The Archive Ag" nach eigenen Angaben eine spezielle Software namens "GLADII" verwendet hat, die auch zum Überwachen von Streaming-Portal-Nutzung taugen soll. Und bekannt ist auch, dass die Zuverlässigkeit dieser Spezial-Software per Gutachten von einer Rechtsanwaltskanzlei bestätigt wurde.

Das lächerliche Gutachten umfasst gerade mal 12 Seiten.

Dieses Gutachten wurde von der Münchener Rechtsanwaltskanzlei Diehl&Partner angefertigt (verbrochen) und es ist jetzt ins Netz gesickert. Konkret hat Rechtsanwalt Carl Christian Müller von der Kanzlei MMR per Akteneinsicht erwirkt, dass das Landgericht Köln das Gutachten rausrücken muss. Müller machte bereits Anfang Januar von sich Reden, als er Strafanzeige gegegen die abmahnende Kanzlei U+C erstattet hat.

Laut Blog von Müller ist das Gutachten (PDF-Dokument hier) "nichtssagend und dünn" auf den  gerade mal 12 Seiten, seien die "Buchstaben recht sparsam verteilt". Im Gutachten werde im Kern lediglich beschrieben, dass "drei Testdownloads" (also potentielle Urheberrechtsverletzungen!) von Medien-Hostern durchgeführt wurden.

Anschließend sei per Webrowser das Webinterfache der GLADII-Überwachungssoftware aufgerufen worden und die hätte dann angezeigt, von welcher IP-Adresse die Downloads durchgeführt worden seien. Müller verweist darauf, dass im Gutachen die entscheidende Frage gar nicht geklärt wird. Und zwar, wie der Datenverkehr zwischen Nutzer und Medien-Hoster protokolliert wurde.

Kritik übt Müller auch am Landgericht Köln. Dem wurde als Anlage bei den Abmahnungen wohl nur eine Liste mit IP-Adressen und Zeitpunkt der angeblichen Rechtverletzungen überreicht. An keiner Stelle soll erwähnt worden sein, wo (also bei Redtube) die vermeintlichen Rechtsverletzungen begangen wurden.

Als das Landgericht die Herausgabe der IP-Adressen bewilligt hat, wusste es also gar nicht, dass es um "Redtube" geht. Laut Müller wäre die Kenntnis des Tatorts allerdings Vorraussetzung gewesen um überprüfen zu können, ob überhaupt eine Urheberrechtsverletzung in Betracht zu ziehen ist. Bereits wegen diesem Verfahrensfehler  war die Anweisung zur Herausgabe der IP-Adressen laut Müller unzulässig.

Michael Nickles meint:

Die Kanzlei Diehl&Partner hat sich laut deren Webpräsenz auf Recht und Patente spezialisiert, hat unter anderem Experten aus den Bereichen Physik, Mechanik, Chemie, Biotechnlogie und auch Elektronik&Software. Auf Seite 4 des Gutachtens, wird die Person beschrieben, die für die Überprüfung verantwortlich war.

Dort steht: "Aufgrund seiner Tätigkeit ist Dr. Frank Schorr mit den Technologien der Informationsverarbeitung und Informationsübertragung über das Internet in einem Maß vertraut, welches über das für die vorliegende Untersuchung notwendige Maß weit hinausgeht."

Und Dr. Frank Schorr hat seinen Job gemacht. Irgendwie halt.

Schorr hat über seine IP drei Pornos von Video-Hostern gestartet, Links und Abrufzeitpunkt protokolliert. Únd dann hat er das Webinterace von GLADII gestartet und die Daten mit dessen Protokollen verglichen. Dabei kam raus, dass gleiche Links, Abrufzeitpunkte und IP ermittelt wurden.

Egal wie lächerlich und witzlos das Gutachen ist, einen  wirklichen Verfahrensfehler bei seiner Anfertigung kann ich nicht erkennen. Auf eine Beschreibung des technischen Vorgangs wurde verzichtet. Die Zuverlässigkeit von GLADII wurde einfach damit bestätigt, weil es halt scheinbar funktioniert hat - egal wie. Ein Zuverlässigkeitsbeweis ist das nicht.

Lächerlich wird die Sache mit dem Gutachten an dem Punkt, dass es den Kölner Richtern gereicht hat - weil sie ganz offensichtlich keinen blassen Dunst hatten, worum es eigentlich geht. Markant ist natürlich der Hinweis, dass bei den eingereichten Abmahnunsgunterlagen nicht der Ort des Vergehens (also Redtube) genannt wurde.

Die Richter haben das Ermitteln der IP-Adressennutzer also einfach gestattet, weil angeglich irgendwo irgendwie eventuell eine Straftat begangen wurde. Das ist zu dünn! War es also Inkompetenz oder Faulheit in Köln? Höchstwahrscheinlich beides.

Ich frage erneut: wie kann künftig verhindert werden, dass völlig inkompetente Richter derlei Massenabmahnungen auslösen können?

Gewiss unpoplär, aber dennoch das hier: In diversen Berichten zum Auftauchen des Gutachtens wird kritisiert, dass stets nur die Rede von "Downloads" und nicht von "Streaming" ist. Ich halte es für kleinkarriert, das Gutachten deswegen zu kritisieren.

Generell sind "Download" und "Streaming" die gleiche Sache, es werden Daten von A nach B übertragen. Bei Download ist halt klar, dass die Daten "gespeichert" werden, bei "Streaming" ist nicht klar, ob sie dauerhaft auf einem Rechner verbleiben. In beiden Fällen wird eine "Quelle" im Netz angesurft um Daten an ein Ziel (die IP-Adresse des Nutzers) zu transportieren. Und genau das wurde beim Gutachen untersucht. Um die Frage, ob Downloads oder Streaming eine Urheberrechtsverletztung darstellen können, geht es im Gutachten nicht!

Erneut überprüfen wird sich GLADII vermutlich nicht lassen. Soweit bekannt ist das in den USA ansässige Unternehmen itGuards, das GLADII produziert hat inzwischen "abgetaucht", die Webpräsenz existiert nicht mehr.

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