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News: Ersetzt Ellie Navaroo menschliche Therapeuten?

Virtueller Psychiater nutzt Kinect zum Erkennen von Depressionen

Michael Nickles / 8 Antworten / Flachansicht Nickles

1966 verblüffte die IT-Legende Joseph Weizenbaum mit einem bahnbrechenden Computerprogramm namens Eliza, einer digitalen Psychotherapeutin. Die Intelligenz von Eliza war damals ähnlich wie der Speicher von bezahlbaren Computern: elend gering.

Dennoch war das recht knappe Eliza-Programm trickreich genug um einen menschlichen Gesprächspartner simulieren zu können. Das Programm suchte eigentlich nur nach Schlüsselworten in eingegebenen Sätzen und bastelte daraus neue Fragen oder Kommentare.

Oder es wich mit Verlegenheitssätzen wie "Erzählen Sie doch mehr!" aus, wenn es nichts Sinnvolleres zu sagen gab. Seit Eliza sind Computer zigtausendfach mächtiger geworden, einen Menschen ersetzen kann bislang aber keiner und eine moderne Version der Eliza, die den Stand der Technik ausschöpft, ist ausgeblieben.

Bis 2012. Vor einem Jahr wurde ein Projekt namens SIM Sensei vorgestellt, eine Therapie-Software von Simcoach.org (siehe Bericht von Wired). Der "Militärpsychiater" bezeichnet sich selbst als "virtueller Mensch" und kann direkt online im Browser konsultiert werden: William Ford.

Neben dem männlichen Gesprächspartner wird auch ein weiblicher virtueller namens Ellie Navaroo angeboten, der aber nur als "kommt demnächst" gekennzeichnet ist. Jetzt ist Ellie in einem neuen Demonstrationsvideo aufgetaucht:

http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=ejczMs6b1Q4

Quelle: http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=ejczMs6b1Q4


Wie im Video zu sehen geht es um eine neue Version der Therapie-Software, bei der Microsofts Kinect-Hardware zum Einsatz kommt um die Gesichtsmimik des menschlichen Gesprächspartners zu verfolgen. (Foto: Video-Screenshot Simsensei)

Die Software analysiert, wie der menschliche Gesprächspartner während der Unterhaltung reagiert und stellt sich entsprechend darauf ein. So soll "Ellie Navaroo" beispielsweise auch Depressionen bei Menschen erkennen können. Laut Bericht von Verge soll die neue Ellie bereits 60 Menschen interviewt haben und dabei außerordentlich erfolgreich gewesen sein.

Michael Nickles meint:

Psychotherapie ist glaub eine sehr kostspielige Sache. Als ich bei meiner privaten Krankenversicherung in einen günstigeren Tarif gewechselt hab, fielen mir zwei Einschränkungen auf: dass ich nur noch alle zwei Jahre Zuschuss für eine neue Brille kriege und dass für Psychotherapie nur eine bestimmte Summe geblecht wird.

Sollte es mich mal erwischen, dann ist Ellie Navaroo hoffentlich bereits ausgereift genug. Spaß beiseite. Gerade dieser "William Ford", der wohl vor allem entwickelt wurde, um ein Ohr für traumatisierte Soldaten zu haben, macht schon schwer nachdenklich.

Am Ende wird sich dann aber diese grausame Fragen stellen: was ist besser - ein menschlicher Arzt, der sich keine Zeit für seine Patienten nimmt, nur abkassieren will, oder ein virtueller Psychiater, der "billiger" ist und praktisch unbegrenzt viel Zeit hat?

Nachtrag: "ein menschlicher Arzt, der sich keine Zeit für seine Patienten nimmt, nur abkasieren will" soll nicht pauschal gemeint sein. Die Formulierung ist unglücklich gewählt. Selbstverständlich sind nur schwarze Schafe gemeint.
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Nevergrey Michael Nickles „Virtueller Psychiater nutzt Kinect zum Erkennen von Depressionen“
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Ich bezweifle, dass irgendeine Software je in der Lage sein wird, die komplexen Vorgänge der menschlichen Psyche zu erkennen. Der Mensch wird von so vielen Faktoren geprägt, dass es meiner Ansicht nach immer der Betrachtung des Einzelfalles bedarf, um einem psychisch kranken Menschen dauerhaft zu helfen. Das schaffen ja selbst Psychologen (Psychotherapeuten, Psychiater - nennt sie, wie Ihr wollt) nur zum Teil, nur bis zu einem gewissen Grad - und liegen bei ihren Einschätzungen auch mal gnadenlos daneben. Wie die Fälle zeigen, in denen Sexualstraftäter vermeintlich 'therapiert' auf die Menschheit losgelassen werden, nur um sich schnurstracks ein neues Opfer zu suchen. 

Dennoch: es gibt diese Fachleute, die dafür ausgebildet wurden, um psychisch kranken Menschen zu helfen und die ihren Job zu einem großen Teil beherrschen. Eventuell wäre es angebracht, mal nicht auf den Geldbeutel zu schauen oder sich der Kaffeekränzchen-Esoterik zuzuwenden, sondern sich tatsächlich professionell helfen zu lassen, wenn es nötig ist. Vor allem in den USA treibt jedoch diese teilweise unsägliche 'Do-it-yourself-Mentalität' nicht nur im Bereich der 'Lebenshilfe' schon fast bizarre Blüten. Warum studieren Menschen überhaupt jahrelang, wenn sich Herr Meier diese Fachkenntnisse bereits mit einer YouTube-Anleitung und einem eBook autodidaktisch mal eben in einer Kaffeepause erarbeiten kann (überspitzt formuliert) ...

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