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News: Tariferhöhung produziert Wut

GEMA kassiert dreimal schwarzen Peter

Michael Nickles / 91 Antworten / Flachansicht Nickles

Die GEMA sorgt aktuell vielfältig für Schlagzeilen.

Fall 1: ein Interview, das vom Hamburger Stadtmagazin Oxmox mit dem Veranstalter Marek Lieberberg geführt wurde (siehe Bericht von Musikmarkt). Lieberberg bezeichnet die GEMA als "Big Brother, der das Musikgeschäft aussaugt.".

Er wirft der GEMA vor, dass sie vor allem ihr Selbstversorgungssystem perfektioniert habe, ihr Geld fürs Nichtstun kassiere. Unter anderem schimpft Lieberberg über die neuen GEMA-Tarife für Veranstalter und nennt Zahlen. Für ein Livekonzert in Hawaii mit bis zu 9.000 Besuchern, müsse er nur 500 Dollar an eine US-Verwertungsgesellschaft bezahlen.

In Deutschland bleche er für eine vergleichbare Veranstaltung 30.000 bis 40.000 Euro an die GEMA.

Fall 2 klingt wie ein schlechter Witz, ist aber nackte Realität. Ein Urteil des Amtsgerichts Frankfurt gestattet es der GEMA laut Bericht der Welt, sogar für anonyme Künstler zu kassieren. Stein des Anstoßes war eine CD, die "Musikpiraten" (eine Abzweigung der Piratenpartei) vergangenes Jahr veröffentlicht haben.

Die darauf befindlichen Künstler haben der Veröffentlichung wohl zugestimmt, aber wollten anonym bleiben. Die GEMA hat gefordert, dass die Namen der Künstler mitgeteilt wird, damit sie Ansprüche prüfen kann.

Die "Musikpiraten" legten eine schriftliche Bestätigung der betroffenen US-Musiker vor, dass sie nicht der GEMA unterliegen. Dieses Schriftwerk reichte den Richtern nicht aus. Sie haben sich für die sogenannte "Gema-Vermutung" entschieden.

So lange die "Musikpiraten" nicht stichhaltig beweisen können, dass die anonymen Musiker nicht der GEMA angehören, wird halt einfach davon ausgegangen, dass dem so ist.

Fall 3: Laut Bericht des Südkurier leidet die beliebte Berliner Diskothek Berghein aktuell gleich doppelt. Die bietet ihre Fans um Unterzeichnung einer Petition gegen die neue GEMA-Tarifstruktur. Aufgrund der Gebührenerhöhung sollen die Kosten ab 2013 um 1.300 Prozent ansteigen, bis zu 25 Prozent der Eintrittsgelder wandern dann an die GEMA.

An einer Erhöhung des Eintrittsgelds führe dann kein Weg vorbei. Mehr kassieren will demnächst wohl auch das Finanzamt. Und zwar 19 Prozent Mehrwertsteuer statt nur 7 Prozent.

Der angewandte Mehrwertsteuersatz bei Discotheken/Clubs ist anscheinend Ermessenssache der jeweils zuständigen Finanzämter.

Michael Nickles meint:

Die Leserkommentare bei den aktuellen Berichten über die GEMA gehen in die übliche Richtung: Schweine, Ausbeuter, abschaffen. Also auf keinen Fall ersetzen oder modernisieren, sondern weg damit, weil der Laden sowieso überflüssig ist.

Ist er nicht. So falsch die Form auch sein mag, so sehr Künstler auch angeblich beschissen werden, komplett kostenlos geht halt nicht. Eine "Disco" braucht Musik um Geld zu verdienen. Die Musik kommt von Musikern. Und die müssen von was leben. Eine Alternative zur GEMA bezüglich Zahlungskontrolle von Veranstaltungen existiert aktuell halt noch nicht.

Wer hat die zündende Idee?
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Olaf19 Fetzen „Wenn ich Musik abspiele, dann habe ich eine Playlist, Cds,...“
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Schöne Satire, die mir in diesem insgesamt verbissen verlaufenen Thread (...woran ich keinesfalls schuldlos bin...) zum guten Schluss noch einmal ein Schmunzeln ins Gesicht gezaubert hat.

Ganz ehrlich: ob der zugegebenermaßen wirklich amüsante Toast/Toaster-Vergleich nun die Realität im Musikbusiness trifft, möchte ich mit einem Fragezeichen versehen.

Jedoch: du bist ja bei weitem nicht der einzige, der das so empfindet. Manchmal sind gar nicht die harten Fakten alles entscheidend, sondern "wie etwas rüberkommt". Und da muss man ganz leidenschaftslos konstatieren: die GEMA kommt einfach "schlecht rüber", und darüber sollte sie sich Gedanken machen. Die bloßen Nennung dieser vier Buchstaben löst regelmäßig Shitstorms aus, und je schärfer die Proteste ausfallen und je länger sie anhalten, desto eher läuft die GEMA Gefahr, dass der Gesetzgeber irgendwann hellhörig wird und ihre Rechte beschneidet, dem öffentlichen Druck Folge leistend.

Nächstes Jahr wird die GEMA 80 Jahre alt, und viele ihrer etwas über 3.000 "ordentlichen" Mitglieder (= stimmberechtigt) dürften nur wenige Jahre nach ihrer Gründung geboren sein. Damals gab es einen im Vergleich zu heute überschaubaren Kulturbetrieb, diese gigantische Vielfalt an multimedialen Erscheinungsformen, die einerseits dem Kulturschaffenden viele Möglichkeiten einräumt, andererseits für einen immer schärferen Konkurrenzkampf sorgt, gab es nicht; die Spielregeln der GEMA sind aber im Großen und Ganzen die gleichen wie kurz nach dem Krieg, und der federführende Altherrenverein aus Schlager- und Klassikkomponisten dürfte wenig motiviert sein, irgendetwas zu verändern. Es kann auf die Dauer nicht ausbleiben, dass sich diese Praxis an der heutigen Realität mehr und mehr "reibt".

Ich verstehe auch längst nicht alles, was da vorgeht, die Regularien sind derart hochdifferenziert und komplex, dass keine Transparenz mehr herrscht. Der ganze Verteilungsplan ist für Laien völlig undurchschaubar, reformbedürftig ist da sicher einiges.

Greetz
Olaf

Die Welt ist ein Jammertal ohne Musik. Doch zum Glueck gab es Bach, Beethoven, Haendel und Goethe (Helge Schneider)
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Doch, die Prinzen ^^ torsten40
Das stimmt... gelöscht_305164