Fotografieren und Filmen 2.959 Themen, 18.382 Beiträge

'Made in China' auf dem Prüfstand

schuerhaken / 63 Antworten / Flachansicht Nickles

Aus einem Reklamationsschreiben:

Sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst die Feststellung, dass hier generell eine grosse Zufriedenheit mit den Leistungen von -Name des Versandhändlers- besteht.

Als es bei der Bestellung einer ‘HERSTELLER-NAME’-Kamera zu einem Problem kam (die Kamera war unbemerkt vom System anderweitig schon vergriffen), wurden wir von einer sehr freundlichen Dame aus -Name des Ortes- angerufen.

Nach längerer Verhandlung kam es zu der Bestellung einer ‘HERSTELLER-NAME’-Kamera XXX-Y00Y. Die wurde auch prompt geliefert.

Vorweg zur Reklamation:
Wir hier (also nicht nur ich allein) schätzen die Japaner und auch Produkte aus Japan.

Nach einem Hinweis anderer Nutzer von ‘HERSTELLER-NAME’-Kameras mussten wir nun zu unserer Überraschung feststellen, dass die gelieferte Kamera "Made in China" ist. Dieser Hinweis ist auf der Kamera für uns nur mit der Lupe lesbar unten auf dem Batteriefach-Deckel angebracht. Auf dem Karton selbst ist dieser Hinweis sehr unauffällig und in sehr kleiner Schrift über der Anschrift von ‘HERSTELLER-NAME’ in JAPAN angebracht.

Es bestand bis zum Hinweis von dritter Seite für uns kein Grund, bei der gelieferten Kamera am Produktionsstandort JAPAN zu zweifeln, weshalb wir zunächst auch nicht nach einem entsprechenden Hinweis suchten.

Der Erwerb und Besitz einer Kamera aus China als Produktionsort ist für uns aber völlig unzumutbar. Wo auch immer möglich (deshalb benutzen wir auch kein iPAD von Apple!) vermeiden wir der Erwerb von Produkten aus China.

Nun produziert ‘HERSTELLER-NAME’ Kameras der ABC-Reihe auch in JAPAN.

Deshalb ersuchen wir Sie um Rücknahme der gelieferten Kamera (die sich noch in einem absolut einwandfreien Zustand "wie NEU" befindet!) und um die die Lieferung einer
-- Kamera ‘HERSTELLER-NAME’ XXX-Y11Y, schwarz --
im Neuzustand, wo bei wir Ihnen einen nachzuzahlenden
-- Aufpreis von EUR x0,00 --
anbieten.

Bei Käufen in Geschäftslokalen achten wir penibel darauf, ob ein Produkt aus China stammt, und lehnen es kategorisch ab, ein Produkt aus China zu erwerben. Wir verzichten u.U. sogar auf einen Kauf, wenn es keine gleich brauchbaren Produkte aus Regionen gibt, wo Menschen in den Fabriken nicht so ausgebeutet und misshandelt werden.

Ganz deutlich:
Wäre bekannt und zu vermuten gewesen, dass die gelieferte Kamera der japanischen Marke ‘HERSTELLER-NAME’ in Wahrheit aus China stammt, hätten wir diese Kamera bei Ihnen nicht gekauft. - Wenn "Made in Germany" weltweit als Qualitätssiegel angenommen wird, sollten Sie uns zugestehen, dass wir "Made in China" als ein Schandmal auffassen und uns entsprechend verhalten.

Sie müssen unser Angebot, als Ersatzlieferung für die zurückzugebende Kamera eine ‘HERSTELLER-NAME’ XXX-Y00Y bei einem nachzuzahlenden Aufpreis von EUR x0,00 zu liefern, nicht annehmen.
In diesem Fall werden wir auf Rücknahme bei Erstattung des vollen Kaufpreises bestehen. Uns bedeuten Menschenrechte und faire Arbeitsbedingungen ohne Ausbeutung armer Menschen sehr viel. Es ist schon schlimm genug, dass es bei bestimmten - oft niedrigpreisigen - Artikeln eine Ausweichmöglichkeit nicht mehr gibt.

Hinweis:
Würde -NAME DES VERSANDHÄNDLERS- bei den einzelnen Angeboten den Herstellungsort angeben oder angegeben haben, hätten wir von vornherein zu dem Modell XXX-Y11Y gegriffen.

Bei der sonstigen Zufriedenheit mit Ihrem Unternehmen erwarten wir nun eine umgehende Stellungnahme zu unserer Reklamation und zu unserem Lösungsvorschlag.

Wir hoffen jedoch, dass Sie unseren Gedanken zu folgen bereit sind und unser Angebot annehmen und mit uns eine notfalls gerichtliche Feststellung der Berechtigung unseres Standpunktes vermeiden helfen.

Mit freundlichen Grüssen,
-Unterzeichner-

 

bei Antwort benachrichtigen
mawe2 shrek3 „Du baust hier ein Szenario nach dem Strickmuster auf: Was...“
Optionen

Du hast das alles im Prinzip sehr gut zusammengefasst.

Einige Anmerkungen dazu:

Gut, dass das Stichwort "Fairtrade" gefallen ist: Besser als eine stumpfe Ablehnung jeglicher Produkte, die aus China kommen, wäre ein Engagement im Sinne von Fairtrade, also eine Initiative, die für fair in China (oder sonstwo) produzierte Waren faire Preise sicherstellt. Dann können die Produzenten entscheiden, ob sie dieser Initiative beitreten oder nicht und der Konsument hätte eine Orientierungshilfe. Der bloße Boykott hilft weder den Kaffeebauern Südamerikas noch den Elektronik-Arbeitern in China.

Der Vergleich japanischer und chinesischer Arbeitsbedingungen wurde durch Schuerhakens Einstellung ("japanische Produkte schätze ich sehr, chinesische wecken Aversionen") provoziert. Ich behaupte mal, dass niemand hier im Forum ausführlich über die Arbeitswirklichkeit eines japanischen Elektronik-Arbeiters Auskunft geben kann.

Viel mehr kritisiere ich aber die Haltung, dass einem Produkt (bzw. seinem Hersteller) nur deswegen bedingungslos vertraut wird, weil das Siegel "Made in Japan" draufklebt, obwohl man ganz genau weiß, dass ein Großteil der verarbeiteten Bauteile sowieso aus China stammen. Damit führt man die Fürsorge für chinesische Arbeiter ad absurdum!

Und ja, Du hast Recht, anhand der vorliegenden Argumentation kann man vermuten, dass ich häufiger chinesische Waren kaufe als Schuerhaken. Das liegt schon daran, dass ich mich intensiv mit Computern und Informationstechnik beschäftige und dass ich seit vielen Jahren in dieser Branche tätig bin. Würde ich jegliche chinesische Waren stumpf ablehnen, könnte ich meinen Beruf an den Nagel hängen. Aber nicht nur deswegen kaufe ich chinesische Waren. Ich habe grundsätzlich keine Aversionen gegen das Label "Made in China"; ich weiß, dass bestimmte chinesische Produkte heutzutage den gleichen Qualitätssicherungsverfahren unterliegen, wie wir sie auch aus Europa oder Amerika kennen und würde ein Produkt allein nur wegen dieses Herkunftslabels niemals ablehnen.

Wer heute noch "Made in China" als Kennzeichnung für grundsätzlich minderwertige, billige, unzuverlässige Produkte ansieht, hat die reale Entwicklung der letzten 30 Jahre nicht zur Kenntnis genommen.

Gruß, mawe2

bei Antwort benachrichtigen