Genau geht es um folgendes:
http://www.spiegel.de/politik/debatte/0,1518,505981,00.html
Erst mal vorweg, es geht mir dabei nicht um die Abwägung, ob man 200 Leben opfert um eventuell 2000 zu retten. Da bin ich (wenn ich ganz ehrlich bin) selbst am Wanken. Wären wirklich alle anderen Mittel ausgeschöpft und es wäre absolut klar, dass die Insassen der Maschine ohnehin keine Aussicht mehr auf ein Überleben hätten, wäre es aber sicher, dass das Flugzeug Tausende Menschen töten würde, so wüsste ich selbst nicht wie ich in diesem Fall entscheiden würde. Ich tendiere persönlich auch zu einem Abschuss, aber dies ist ohnehin reine Theorie, da der Fall so wohl nie eintreten wird.
Was mich wirklich fast schockiert ist aber folgendes bzw. folgende Aussagen:
Jung räumte zwar ein, dass das Bundesverfassungsgericht den Abschuss eines gekaperten Passagierflugzeuges auf die Fälle beschränkt habe, in denen nur Terroristen und keine Unschuldigen an Bord seien. "Aber wenn es eine gemeine Gefahr ist oder die Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, dann gelten andere Regeln."
Man muss sich diese Aussage einmal auf der Zunge zergehen lassen. Ein auf die Verfassung vereidigter Minister sagt hier in aller Öffentlichkeit er fühle sich nicht an die Verfassung gebunden, wenn er der Meinung ist es läge eine gefährliche Situation vor.
Zudem der Bezug auf andere Regeln ist hier ein delikates Schmankerl. Diese anderen Regeln nennen sich Notstandsverfassung oder Notstandsgesetze die im V-Fall, der jedoch nur auf einen bewaffneten Angriff von Außen hin inkraft treten können und zu diesen weiter unten mehr.
Jung sagte dem Magazin, dass in Abstimmung mit der Luftwaffe für einen möglichen Abschuss nur Piloten fliegen sollten, die auch vor dem Hintergrund der schwierigen rechtlichen Frage dazu bereit wären, den Befehl auszuführen.
Noch ein geradezu grotesker Kalauer: Ein klares und eindeutiges Verbot durch unser höchstes Verfassungsorgan wird als "schwierige rechtliche Frage" bezeichnet. Man kann es drehen und wenden wie man will: Es gibt keine schwierige rechtliche Frage, es ist schlicht und ergreifend Verfassungswidrig, auch noch der Notstandsgesetzgebung (siehe unten).
Das Bundesverfassungsgericht verbot damals die Abwägung "Leben gegen Leben" als Verstoß gegen das Grundgesetz.
Punkt! Siehe oben. Unschwieriger kann an es rechtlich wohl nicht formulieren.
Mit seinem [es ging hier um Schäuble, Anm. von mir] Vorschlag, einen Terrorangriff per Flugzeug als "Quasi-Verteidigungsfall" zu werten, in dem dann die Regeln des Kriegsvölkerrechts gelten sollten, stießen beim Koalitionspartner SPD auf heftige Kritik.
So weit ich mich noch erinnere, gibt es keine Option etwas als Verteidigungsfall zu werten, schon garnicht aus der Position eines Ministers heraus. So lange der Bundestag noch handlungsfähig ist, beschließt dieser ggf. das Eintreten des Verteigigungsfalles auf Antrag der Regierung, der Bundesrat segnet ihn ab.
Selbst wenn (im extrem theoretischen Fall) das Parlament nicht mehr handlungsfähig wäre würde erst einmal eine Notstandsverfassung inkraft treten, und diese setzt das vom Verfassungsrecht für die Urteilsbegründung angeführte Grundrecht ebenso wenig ausser Kraft. Ein Abschuss wäre also auch in einem Notstand noch verfassungswidrig.
Es ist schon bedenklich, wie mittlerweile offen von Regierungspolitikern oder Politikern im Allgemeinen unser Grundgesetz (aka Verfassung) mittlerweile im Tagestakt unter Beschuss genommen wird oder wie sie es anscheinend als Nebensächlichkeit einordnen bzw infrage stellen. Es gehört wohl mittlerweile zum guten Ton hier alle Hemmungen fallen zu lassen. Dies passt zur Entwicklung der letzten Jahre das BVerfG mit Arbeit zu überschütten, indem man sehenden Auges Gesetze verabschiedet, die der Verfassung zuwider laufen und die Ablehnugn durch das BVerfG dann auch noch für Schmähkritik gegen dieses nutzt und sein Ansehen beschädigt.
Ich bin mal gespannt, wann sich der erste traut das BVerfG als soclhes infrage zu stellen.
Schlussendlich finde ich es noch bedenklich, dass ein Minister die Notstandsgesetzgebung so gedankenlos ins piel bringt. Eine der dunkelsten Epochen neuerer Geschichte begann mit Notstandsgesetzen und die Voraussetzungen damals waren nicht so viel anderst als sie es heute sind. Ich hoffe einmal diese Äußerungen des Hernn Jung werden die gebührende Entrüstung hervor rufen und ihn diesen wichtigen Ministerposten kosten.
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Ich habe irgendwie den Eindruck (was schon von anderen zur Sprache kam), dass hier ein Nebenkriegsschauplatz (noch einer) eröffnet wird um mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Ich bezweifle stark, dass ein Herr Schäuble so händeringend eine Online-Durchsuchung will wie hier versucht wird darzustellen, ebenso bezweifle ich, dass ein Herr Jung sich wirklich etwas von seiner Ankündigung verspricht, ich denke beide verfolgen zum einen Ziele innerhalb ihres Resorts und zudem eine parteipolitische Absicht.
Die Ziele des Herrn Schäuble könnte durchaus sein von den restlichen Inhalten des BKA-Gesetzes und von der verfassungsrechtlichen Bedenklichkeit der "halben Fusion" zwischen Polizei, BKA und Geheimdiensten abzulenken. Zudem hilft es immer überzogene Forderungen zu stellen, von denen man notfalls Teile aufgeben kann, um die eigentlichen Ziele leichter durchdrücken zu können.
Bei Herrn Jung dürfte es ähnlich liegen. Man bringt sich ins Gespräch, provoziert überzogen und schafft es dann in einem halben Schritt zurück vielleicht auch den Einsatz der Bundeswehr im Inneren irgendwie durchzudrücken.
Was parteipolitischer Nutzen sein könnte wäre der Umstand, dass diese Sicherheitsdebatte bestens geeignet ist den Koalitiionspartner und die Opposition unter Druck zu setzen, man kann dabei auf keinen Fall verlieren. Es ist ein leichtes den politischen Gegner an den öffentlichen Pranger zu stellen er würde nicht genug für die Sicherheit der Bevölkerung tun, das Gefahrenszenario kann man mit dem Innenminister im Hintergrund eigentlich beliebig dehnen.
Jetzt spielen wir einmal die möglichen Szenarien durch:
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- Die Sicherheitsgesetze gehen nicht durch:
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- Es kommt zu keinem Anschlag: Man kann beliebig lange weiter warnen und fordern und sich auf Glück berufen, dass noch nichts passiert ist... das Spiel geht weiter.
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- Es kommt zu einem Anschlag: Perfekt, man hat den idealen Schuldigen, der die möglichen Werkzeuge zur Verhinderung (es ist egal, ob sie genutzt hätten oder nicht) verhindert hat. Der Koalitionspartner und die Opposition sind geliefert.
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Die Sicherheitsgesetze gehen durch:
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- Es kommt zu keinem Anschlag: Man kann sich brüsten, dass man wirksam die Anschläge verhindert hat, indem man entgegen Koalitionspartner und Opposition hart blieb.
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- Es kommt zu einem Anschlag: Der Fall ist zwar nicht ganz so ideal, aber man kann immer noch weiteres fordern und sagen man hätte ja gerne mehr Sicherheit gewollt, aber Koalitionspartner und Opposition hätten die wirksamsten Werkzeuge verhindert. Mit etwas demagogischen Geschickes lässt sich das auch in einen Sieg verwandeln.
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Die leidtragenden der Entwicklung in unserer Zeit sind meiner Meinung die Demokratie, die Glaubwürdigkeit der Politik (sofern diese überhaupt noch unter den Lebenden weilt) und das politische Interesse der Bevölkerung (das wohl schon eine Zeit lang im Koma liegt). Ich zumindest kann mich heute dem Eindruck nicht mehr erwehren, dass Politik nur noch aus FUD, Populismus, Demagogie, Selbstdarstellung, Betrug und Lügen besteht. Zudem tragen viele Kleinigkeiten zu einem latenten Ohnmachtsgefühl der Bevölkerung bei, seien es rein bürokratische Entscheidungen im fernen Brüssel durch nicht gewählte Komissionen (die eigentlich in ein Parlament gehörten), seien es ihre überzogene Umsetzung in nationale Gesetze wobei man sich auf den Zwang durch Brüssel beruft (wobei natürlich niemandem auffällt, dass die Umsetzung überzogener als die Vorgabe ausfällt), oder seinen es Kleinigkeiten, wie die rechtliche Unanstastbarkeit von Politikern und Wirtschaftsführern oder unsinnige und als ungerecht empfundene Regelungen im Rundfunkstaatsvertrag (neusprech Internet-Steuer).
Mal sehen, was bei diesem Süppchen rauskommen wird.