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Für Lard, Marauder und viele andere.....

Dr. Hook / 9 Antworten / Flachansicht Nickles

Hier ist ein kleines Gedicht, das ich letztes Jahr geschrieben habe.
Ich denke, es passt gut in die Weltuntergangsstimmung die sich momentan hier breit macht. Ich will es euch nicht vorenthalten.


Der weise Seher

Der Morgensonne goldner Schein,
im silbern Tau der Gräser bricht,
ein Mann erwacht, er ist allein,
und niemand schaut sein Angesicht.

Die Nacht, - vorüber, es ist Tag,
doch Freude zieht nicht in sein Herz.
Sein Traum, - vergangen, doch es lag
darin nicht Frohsinn, sondern Schmerz.

Der Sinn des Lebens kann nicht sein,
- so denkt und sinnt er vor sich hin,
daß er stets immer nur allein,
wen wundert\'s, daß ich traurig bin.

Einst wurde es ihm kundgetan,
daß dort am Berg ein Seher wohnt,
der alles weiß, darum hinan,
ein schwerer Weg wird stets belohnt.

Die Sonne heiß herniederbrennt,
kein Schatten weit und breit,
er geht den Weg den keiner kennt,
zum Sterben ist noch Zeit.

Dann endlich schaut er jenen Ort,
und denkt: Hier muß es sein.
Ein Eremit bewohnt den Hort,
und läd\' ihn freundlich ein.

"Sag an, mein Freund, was suchst du hier,"
wird er alsbald gefragt,
"Den Weg ins Glück, den zeige mir,"
der traurige Wanderer sagt.

"Schon Mancher kam von weit hierher,
zu finden hier sein Glück.
Ihn\' allen war das Herz so schwer,
doch keiner kam zurück."

"Geh\' diesen Weg bis an die Schlucht,
dann ist dein Ziel nicht fern,
dort findest du, was du gesucht,
und dir erstrahlt ein Stern."

"Ein Schritt genügt, es gehet schnell,
laß deine Träume fliegen,
so wirst du, - glaub mir, auf der Stell\',
die Einsamkeit besiegen."

Kein Glück zu sehen weit und breit,
der Seher hat gelogen,
und ihn wie alle Menschen stets,
gar schändlich nur betrogen.

Die Sonne glüht im Abendrot,
ein Schritt ist schnell getan.
Der Einsame stürzt in den Tod,
und lebt im Glück fortan.

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