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Jonny gehorcht aufs Wort...(...)

FreddyK. / 0 Antworten / Flachansicht Nickles

(Marcus)

Ich hatte sie an jenem Abend in einer Kneipe kennengelernt, eine tolle Frau, gutaussehend und selbstbewusst. Wir merkten beide sehr schnell was wir wollten und so dauerte es nicht lange bis die obligatorische Frage kam: "Zu mir oder zu Dir?"
Da ich es vorziehe, mich am Morgen danach verziehen zu koennen, falls es ungemuetlich wird, gingen wir also in ihre Wohnung - das heisst, wir wollten...

Mein Wagen brachte uns zu ihrem Haus, ein schicker weisser Bungalow mit grossem Garten und Swimmingpool in einer ziemlich feinen Gegend - gar kein Vergleich zu meiner kleinen 2-ZKB-Mietwohnung in der lauten und verdreckten Innenstadt!

Merken: Gelegentlich den eigenen Lebensstil ueberdenken.

Es war gegen ein Uhr als wir bei ihr ankamen, und sie tanzte leichtfuessig und unbeschwert vor mir den Steinplattenweg zur Haustuer hoch. Lachend rannte ich ihr hinterher. Oben angekommen sagte sie:
"Jonny! Aufmachen, dreizehnter siebter, ein Uhr zwoelf, gruen gruen gelb."


(Monika)

Er reizte mich, auch wenn er anscheinend nicht der Schlaueste zu sein schien. Gut gebaut war er jedenfalls und auch sehr nett. Er erinnerte mich an einen Baeren, gemuetlich, gutmuetig und liebevoll. Er glaubte zwar, er sei ein grosser Aufreisser und er haette mich rumgekriegt, aber ich wusste es besser: es war umgekehrt.
Als wir schliesslich vor meiner Haustuer standen, gab ich dem Computersystem, das ich "Jonathan" genannt hatte, den Befehl zum Oeffnen der Haustuer. Dabei schaute er mich ziemlich daemlich an - wie gesagt, er hatte die Weisheit nicht gerade mit Loeffeln gefressen.

"Was redest Du da? Ist Dein Mann zu Hause?"
"Ich lebe allein, sagte ich das nicht schon? Nein, ich habe mir vor zwei Wochen so ein hypermodernes Wach- und Schliesssystem einbauen lassen. Keine vergessenen Schluessel mehr, kein umstaendliches Herumfingern, wenn man beide Haende voll hat. Ich lese einfach das Datum, die Uhrzeit und den Farbcode hier von dieser Anzeige ab, und der Computer vergleicht meine Stimme mit seinen gespeicherten Daten. Den Farbcode waehlt er zufaellig aus, Datum und Uhrzeit sind natuerlich immer aktuell. Und wenn er erkennt, dass wirklich ich gesprochen habe, macht er mir die Tuer auf - so einfach ist das!"
Das schien ihm zu gefallen; ein begeistertes Laecheln machte sich auf seinem Gesicht breit.

"Nein wirklich, Du hast so ein Ding? Wir koennen es nur schwer verkaufen, weil es noch ziemlich teuer ist. Aber dafuer intelligent und zuverlaessig!"


(Marcus)

Das ist ja toll! Endlich jemand, bei dem sich unser neues Computersystem, der Butler-1, wie wir es nannten, im harten Alltagseinsatz bewaehren konnte!
"Ach, Du verkaufst diese Dinger?" fragte sie mich.
"Auch, aber eigentlich entwickle ich sie." - Tja, sie hatte mich also wirklich fuer einen Volltrottel gehalten, ich merkte es an ihrem jetzt voellig erstaunten Gesichtsausdruck.
"Du...was?"
Ich ging darueber hinweg; Bewunderung ist mir immer ein bisschen peinlich.
"Wollen wir nicht reingehen?" fragte ich statt dessen.
"Ja, sicher..."

Sie drueckte gegen die Tuer - hier hatte sie also gespart, das Modell oeffnete die Tuer nicht selbsttaetig, es entriegelte sie bloss - pah! Aber - die Tuer schwang nicht auf.
"Was ist das jetzt?" Ein Stirnrunzeln glitt ueber ihr Gesicht, dann:
"Jonny, aufmachen, dreizehnter siebter, ein Uhr dreizehn, gruen gruen gelb!"

Nichts geschah.

"Du hast das System Jonny genannt? Ein Verflossener?"
"Eigentlich Jonathan; ihn einfach "Computer" zu nennen, war mir zu unpersoenlich. Normalerweise hoert er auch auf Jonny, aber heute scheint er dazu keine Lust zu haben...
Jonathan aufmachen! Dreizehnter siebter, ein Uhr dreizehn, gruen gruen gelb!"

Nix.


(Monika)

Es war mir ziemlich peinlich, dass mein schoenes neues Spielzeug nicht funktionierte. Ich murmelte etwas von "Vorfuehreffekt" und "muss die Stimmenerkennung wohl noch etwas trainieren", aber es aergerte mich
masslos, wie meine suendhaft teure Anlage ploetzlich versagte, und das vor Marcus!
Wofuer musste er mich jetzt halten? Wahrscheinlich fuer eines dieser Pueppchen, die nicht mal eine Gluehbirne auswechseln koennen, ohne dafuer eine Gebrauchsanleitung zu haben! Irgendetwas in der Richtung musste es wohl sein, denn er schaute mich so seltsam an. Gerade hatte ich Jonny doch noch so hoch gelobt - und jetzt das! Bisher war immer alles tadellos gelaufen, ich konnte mir nicht erklaeren was das nun sollte. Aber Marcus war ja anscheinend doch kein Bloedmann; wenn er das Ding wirklich gebaut hatte, musste er doch jetzt Rat wissen.


(Marcus)

"Wieso will das Geraet denn jetzt nicht?" fragte sie mich.
"Wie lange hast Du Jonny denn auf Deine Stimme trainiert?" fragte ich zurueck. Langsam fing das Problem an mich zu beschaeftigen, denn wir
hatten bisher nur zufriedene Kunden gehabt - zugegeben, es waren nicht sehr viele.
"Hm, ich habe es vor knapp zwei Wochen bekommen und bis vor fuenf Tagen trainiert - es traten bis dahin immer mal wieder kleine Aussetzer auf, aber nach dem dritten Befehl hat es bisher immer geklappt - spaetestens."

Es wunderte mich, dass Jonny sich nicht einmal zu einer Fehlermeldung herabliess, denn irgendetwas musste falsch gelaufen sein.
Es stellte sich heraus, dass Monika das Antwortsystem ausgeschaltet hatte, weil ihr Jonny\'s Stimme nicht gefiel - "Zu roboterhaft" monierte sie.

Merken: An der Intonation arbeiten.

Auf meinen Rat hin schaltete sie die Stimme wieder ein:
"Jonathan, Sprachmodul aktivieren!"
Aus ihrem Mund klang das fuerchterlich unecht; ich sollte den Befehlssatz wohl noch um einige Befehle erweitern, die etwas umgangssprachlicher waren. Vielleicht wuerde diese Technik dann von den Leuten auch besser angenommen werden.

"Stehe zur Verfuegung, Monika!" sagte eine wenig modulierte Stimme, die direkt aus der Haustuer zu kommen schien.
"Jonathan, jetzt erklaer mir mal, was hier los ist!" Monika war sauer. Unsere Stimmung war verflogen, und das wegen eines Computers!
"Ich weiss nicht was Du meinst, Monika. Ich bitte um naehere Angaben." Hoeflich war er ja, das hatten wir ihm gut beigebracht! Aber es schien bei ihr nicht zu wirken.

"Der Kerl stellt sich dumm! He, Du bloeder Blechkasten, ich will in meine Wohnung! Warum laesst Du mich nicht rein? Hab ich Dir nicht deutlich genug gesprochen?"
"Zur ersten Frage: Es gibt Sicherheitsbedenken die Tuer zu oeffnen. Zur zweiten Frage: Du hast deutlich genug gesprochen, Monika."


(Monika)

Jonny war mal wieder viel zu penibel. Aber was will man von ein paar Chips und Draehten auch schon erwarten! Erste Frage, zweite Frage - es war doch wohl klar, was ich gemeint hatte! Ich atmete tief durch und fragte ihn mit erzwungener Ruhe:
"Was fuer Sicherheitsbedenken denn?"

Schweigen.

"Jonathan, ich rede mit Dir! Hoer mir gefaelligst zu und antworte mir!"
"Ich wusste nicht, dass Du mit mir sprachst, weil Du mich nicht angesprochen hattest. Laut meiner Programmierung beziehe ich Aeusserungen nur dann auf mich, wenn ich direkt ange-"
"Geschenkt, Jonathan! Ich habe das Handbuch gelesen. Also, Jonathan, ich will wissen, warum Du mir die Tuer nicht oeffnest!"

Ich war inzwischen wirklich wuetend. Jetzt fing Marcus auch noch an zu grinsen - er lachte mich aus! Nein, das war zuviel! Monika, reiss Dich zusammen! Du bist doch keine hysterische alte Schachtel!
"Es gibt -"
"Ja, Jonathan, Sicherheitsbedenken, das hast Du schon gesagt. Aber wieso? Ich bin hier mit meinem Freund, ich sage Dir, ich will in meine Wohnung, Du hast meine Stimme identifiziert und trotzdem machst Du mir nicht auf. Erklaere mir das!"
"Du selber hast es mir befohlen, Monika."
"Ich habe Dir...?" Ich hasse denkende Haustueren.


(Marcus)

Nachdem ich zu Anfang amuesiert war, fing ich allmaehlich an, das Problem zu begreifen. Hier schien ein Bedienungsfehler vorzuliegen, nur hatte Monika das nicht gemerkt.
"Monika, darf ich mal mit ihm reden?" schaltete ich mich ein.
"Sicher, sprich mit Deinem Baby!" spoettelte sie.
"Vielleicht hoert er ja auf Dich. Mir will er anscheinend nicht mehr gehorchen!"
"Doch, ich glaube sogar, er gehorcht Dir zu gut!"
"???" Ich ignorierte sie.

"Jonathan, hoer mir zu! Was genau sind die Sicherheitsbedenken, deretwegen Du uns nicht die Tuer oeffnest?"
"Ich bin nicht befugt, Ihnen diese Auskunft zu geben, mein Herr."

Jetzt grinste Monika.

"Jonathan, gib dem Herrn die Auskuenfte, die er verlangt."
"Ja, Monika. Mein Herr, Frau Travenstein hat mir befohlen, niemanden ausser ihr ins Haus zu lassen."
Genau das hatte ich mir gedacht. Jonny tat nur seine Pflicht. Monika hatte ihm wahrscheinlich so etwas wie "Du darfst nur mir aufmachen!" gesagt, und genau das tat er nun. Er war weder verrueckt noch kaputt, er nahm einfach seine Aufgabe sehr ernst - sehr schoen.

"Moment mal, Jonathan", warf Monika ein, die das Problem jetzt auch erkannt hatte, "trotzdem musst Du die Tuer aufmachen, schliesslich will ich ja auch rein!"
"Es besteht aber die Gefahr, dass auch der Mann ins Haus gelangt, Monika."
"Natuerlich, das ist ja auch Sinn der Sache! Ich will, dass dieser Mann in mein Haus kommt!"
"Das steht im Widerspruch zu der Anweisung, die Du mir am 15.7.1997, 20.48 Uhr gegeben hast, Monika."


(Monika)

Ich werde noch verrueckt. Was ist das bloss fuer eine Welt? Ich stehe hier mitten in der Nacht vor meinem Haus und diskutiere mit einer Eingangstuer!
Zuckersuess floetete ich: "Lieber Jonathan, dann hebe ich hiermit diesen Befehl wieder auf und erlaube Dir, mich und diesen Mann hier ins Haus zu lassen!"
"Das kann ich nicht tun, Monika."

Aha, Computer sind gegen zuckersuesse Floetereien immun.

"Warum um Himmelswillen kannst Du das nicht tun, Jonathan?!" Mir reicht es langsam, morgen wird der Kasten wieder ausgebaut!
"Du koenntest zu diesem Befehl gezwungen worden sein, damit Fremde eindringen koennen, Monika" gab Jonny zu bedenken.

Ich fing an zu verzweifeln. Mein elektronischer Pfoertner gehorchte mir zwar, aber anscheinend nur, soweit es ihm in den Kram passte. Tief in seinem Innern musste der Teufel wohnen.

Rohe Gewalt?

"Jonny, mach jetzt endlich diese Tuer auf oder ich schlage sie ein!" schrie ich. Himmel, ich schrie eine Tuer an!

"Monika, aus Deiner Reaktion leite ich ab, dass Du moeglicherweise in der Gewalt dieses Mannes bist. Ist diese Beobachtung korrekt?"
Was hat Marcus da fuer einen Schrott produziert? Intelligent, Unsinn! Zuverlaessig, Quatsch!


(Marcus)

Monika schaute mich nun sehr boese an. Warum bloss? Was kann ich dafuer, wenn sie nicht will dass ihr Hauscomputer tut, was sie ihm befohlen hatte? Dafuer habe ich ihn doch gebaut!

Merken: Frauen sind nicht immer logisch.

"Koennen wir nicht vielleicht durch ein Fenster einsteigen oder so?" fragte ich zaghaft. Ganz so unschuldig kam ich mir doch nicht vor. "Nein, ich habe mein ganzes Haus durch Jonny sichern lassen. Wenn hier eingebrochen wird, gibt Jonny sofort Alarm und in fuenf Minuten ist die Polizei da."

Drohend kam sie auf mich zu und fuchtelte mit den Haenden:
"Marcus, Jonny ist Dein Werk. Also sieh zu, dass er endlich diese Tuer aufmacht!"
Jonny schaltete sich ein, diesmal ohne angesprochen worden zu sein: "Monika, ich bemerke Deine feindliche Haltung gegenueber dem Mann. Er kann also nicht Dein Freund sein. Soll ich die Polizei verstaendigen?"

Langsam wurde die Situation ungemuetlich. Mit der Polizei hatte mir noch kein Computer gedroht, und dass Monika mich so diabolisch anschaute, trug auch nicht gerade dazu bei, mich besser zu fuehlen.
"Nein," sagte sie, "nein, lass nur. Ich bin sicher, es gibt noch einen anderen Weg..."

Zehn Minuten spaeter war ich zu Hause, allein.

Merken: Butler-1 muss noch stark verbessert werden.


Ende

Dieser Beitrag wurde unter Debian GNU/Linux 7.1 Wheezy verbrochen. https://de.wikipedia.org/wiki/Vorratsdatenspeicherung
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