Weißt Du, wenn ich das vergleiche mit dem Staat -oder den Staaten(!) vor 20 oder 30 Jahren. Damals hat man Modelle wie ORWELLS '1984' oder Huxles 'schöne neue Welt' noch für Schreckensbilder gehalten. Damals gab es Grundstzurteile wie das über "informationelle Selbstbestimmung" des Bundesverfassungsgerichts. Damals wurden überall Datenschutzbeauftragte und Bürgerbeauftragte installiert. Damals gab es in England keine Ausweispflicht und in USA keine Meldepflicht (!).
Wenn ich das mit heute vergleiche, wo Menschen in biometrischen und genetischen Datenbanken gespeichert sind, über Telefonüberwachung nicht mehr diskutiert wird (wie zu Adenausers Zeiten), sondern sie als selbstverständlich praktiziert wird, wo Menschen per Handysignal und gps als 'Bewegungsmuster' gespeichert werden, wo RFID bereits dazu verwendet wird, festzustellen, ob alle Schüler nach der Pause wieder im Klassenzimmer sind und so weiter: dann ist das für mich wirklich der totalitäte Überwachungsstaat. Unter dem Vorwand, die Demokratie zu schützen, haben wir sie abgeschafft.
"Und was habt ihr für Konsequenzen gezogen?" hat meine Generation vorwurfsvoll die Altvorderen gefragt, von denen 90% mit Begeisterung den Braunen gefolgt waren (wegen mir auch nur 80%, die Historiker diskutieren eine gewisse Spannweite). Was habt ihr dagegen getan? Wir werden uns das auch fragen lassen müssen, und unsere Bilanz wird genauso armselig aussehen. Für mich ist das Grund für große Traurigkeit, denn ich weiß ja auch nicht, was dagegen tun.
Eines jedenfalls, aber das ist eigentlich nur ein PS, darf nie ein Argument sein: Daß es dank der Überwachung jetzt einfacher ist, in die USA oder einen anderen Staat ähnlichen Kalibers zu reisen. Bequemlichkeit ist nie ein Argument in Fragen der Demokratie, sondern höchstens, wenns ums Wäschebügeln geht.
"Seid der Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt" (Günter Eich). Könnte ein Lebensmotto sein.