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Astralprojektion...(...)

FreddyK. / 1 Antworten / Baumansicht Nickles

Astralprojektion
"Meinst du nicht wir haben noch eine Chance Lena? Es ist doch nichts groß vorgefallen, ich versteh das alles nicht!"
"Ach Andi, jetzt mach doch den schönen Abend nicht kaputt, ich bin froh, daß wir uns endlich wieder gut verstehen und der Abend mit dir war so schön wie schon lange nicht mehr!"
Er beschleunigte seinen neuen Golf auf 100kmh, es war schon dunkel und sie fuhren auf der Landstraße Richtung Heimat.
"Dann erklärs mir, du hast dich noch nie richtig dazu geäußert warum du gegangen bist und dauernd machst du mir irgend welche Andeutungen, Gesten, als wenn du wieder zu mir zurück kommst, doch letztlich werden jedes mal meine Hoffnungen erneut zerstört!"
"Das bildest du dir nur ein und fahr bitte nicht so schnell Andi!"
"Ich fahr nicht schnell, hier sind 100 erlaubt Lena, das müßtest du doch wissen, hast doch schließlich seit kurzem auch einen Führerschein. Ich konnte noch nicht mal dabei sein, dir als erster gratulieren, dich in den Arm nehmen, dich küssen und ich hatte mich so darauf gefreut."
Kurzes Schweigen.
"Verdammt, ich wollte einfach mal wieder nach Jahren mein eigenes Leben leben, ich hatte Angst, daß ich was verpasse!"
"Aber ich hab dich doch nie eingeengt, du konntest doch sowieso immer machen was du wolltest, obendrein hab ich doch alles für dich getan."
"Hast du ja auch. Aber das mit der Freiheit ist nicht das selbe!"
"Ach Lena. Ich dachte immer, das zwischen uns ist was besonderes, doch was nützen einem schöne Erinnerungen, wenn man sie mit dem jenigen nicht mehr teilen kann, sich nicht mehr gemeinsam darüber freuen kann, jetzt durch diese einfach nur noch depressiv wird!"
"Kuck auf die Straße Andi. Es war ja auch was besonderes, aber es geht nicht mehr!"
Erneutes Schweigen.
Wie aus heiterem Himmel schüttete es plötzlich aus allen Wolken, es war gar kein Regen angesagt, es sollte diese Nacht einen sternklaren Himmel geben, doch es regnete einfach.
"Liebst du mich denn noch?"
Lena erwiderte nichts darauf, sie saß nur stumm auf dem Beifahrersitz. Ihre Augen waren feucht, als wenn den großen tief blauen Augen jeden Moment eine Träne entspringen würde, doch sie unterdrückte diese mit aller Macht.
"Sag doch bitte was! Bitte! Ich habe jedenfalls nie aufgehört dich zu li...".
Lieben wollte Andi sagen, doch ein schreck fuhr beiden durch die Knochen, als plötzlich 5 Rehe im Scheinwerferkegel standen. Andi war zu aufgewühlt von der Unterhaltung und reagierte dadurch unbesonnen. Er versuchte auszuweichen, kam ins schleudern auf der spiegelglatten Asphaltstraße, das Auto drehte sich fast um die eigene Achse. Kurz schien es als wenn er den Wagen abfangen könnte. Die Reifen quietschten ohrenbetäubend laut, Lena schrie und kreischte wie am Spieß, doch sie hatten auf der dunklen, nassen Landstraße keine Chance. Der Golf prallte mit voller Wucht frontal gegen einen riesen Baum, einer von vielen, wie sie rechts und links an den Alleen in regelmäßigen Abständen verteilt sind. Es gab einen riesen Knall durch die Wucht des Aufpralls und dann löste eine unheimliche, tödliche Stille das Echo Lenas Schreie ab.
Als Andi zu sich kam, vernahm er nur das prasseln der Regentropfen auf dem zerbeulten Blech und eine leise wimmernde Stimme aus der Ferne. Er schaute nach rechts auf den Beifahrersitz, Lena war weg. Andi stieg aus, ‘Scheiße wo ist Lena, ich kann sie hören, zum Glück geht es mir gut, ich scheine gar keinen Kratzer abbekommen zu haben und Lena scheint auch OK zu sein.’
"LENA, LENA..", schrie er, "...WO BIST DU, LENA???", keine Antwort.
Ein Blick auf seinen Golf ließ erahnen wie stark der Aufprall war. Das Blech der Motorhaube war bis zur Frontscheibe eingedrückt, diese war gesplittert und auf der Fahrerseite war ein riesen Loch zu sehen.
‘Ich war ja nicht mal angeschnallt, wie kann ich so in Ordnung sein?’, grübelte Andi.
Er ging um das Auto, es war nichts von Lena zu sehen, er ging weiter den Stimmen nach, bis er sie auf einem freien Feld sah. Sie kniete nieder und weinte bitterlich, ihr sonst so volles gelocktes, kastanienbraunes Engelshaar, welches ihr bis zu den Schultern ging, war durch die nässe des Regens dunkel, fast glatt und hing glitsch naß in Strähnen runter. Nackt kniete sie im Feld. Andi konnte nicht erkennen worüber sie sich beugte, doch ihr schlanker Körper war schön, sie sah noch immer so graziös wie früher aus. Ihre Brüste voll, geschmückt mit großen Warzenhöfen, die Spuren ihres Schlankheitswahns waren ihm vertraut, zarte Streifen an Hüfte und Schenkeln. Andi genoß den Anblick ihrer zarten weißen Haut, die sich früher so weich anfühlte. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, daß er den Anblick ihres entblößten Körpers genießen durfte. Fast vergaß er die Ernsthaftigkeit der Situation. Schließlich erkannte er die Leiche die neben ihr lag und dann ging sein Blick an der Silhouette, die von ihm übrig geblieben war, herab.
‘Warum sind hier alle nackt, warum liegt mein Körper da im Feld, verdammt, was wird hier für ein Spiel gespielt???’
"Vor Gott sind alle Menschen gleich...", erwiderte eine beruhigende, tiefe Stimme, "...sie ist nicht nackt, du siehst sie nur so, sie ist nicht nackt, vor Gott sind alle Menschen gleich!"
"Wer bist du, was willst du? Scheiße! Was soll das hier alles?"
Die Stimme antwortete nicht mehr, ein Angstgefühl durchfuhr ihn. Andi ging nähr an Lena heran, bis er an ihrer Seite stand.
"Lena, hörst du mich, Lena, ich bin doch hier!", sie reagierte nicht.
Ihm wurde bewußt, wie ernst die Lage ist. Der Unfall war sein Todesurteil, er war nur noch eine Astralprojektion. Sie kniete über seinem Körper, seiner sogenannten Hülle, die blutüberströmt im Feld lag. Er schaute nach links zu ihr herunter, bückte sich und sah in Lenas sonst so süßes, fröhliches Gesicht, welches im Augenblick ziemlich entstellt war. Nicht durch die kleine Platzwunde an ihrer Stirn, sondern durch die stark zerlaufende Schminke, zerlaufen durch ihre Tränen, die wie Wasser aus ihren großen, tief blauen Augen strömten.
Andi war fassungslos, ‘Wie kann das sein, so etwas gibt’s doch gar nicht, ich lebe, ich stehe hier, ich lebe. Aber, aber mein Körper liegt regungslos da? Ich muß wohl durch den Aufprall aus dem Fenster geschleudert sein?!?!’
"Es ist nur noch deine Seele Andi, du hast keine Chance, deine Zeit ist um!", reagierte die unbekannte Stimme.
"ERZÄHL KEIN SCHEIß VERDAMMT!", brüllte er zurück, versuchte daraufhin hastig Lena zu halten, zu umarmen und zu küssen, doch seine Silhouettenarme durchfuhren ihren Körper ohne einen Widerstand. Er konnte diesen nicht halten, nicht einmal fühlen und verlor das Gleichgewicht. Wie gern hätte er endlich mal wieder ihren Körper berührt, doch es gab wohl keine Möglichkeit mehr ihr je noch einmal so nah wie früher zu kommen, als ihre Liebe noch untrennbar schien.
"Andi, wach auf! Komm Andi, du kannst mich jetzt nicht allein lassen, bitte, bitte wach doch auf!", schrie Lena plötzlich in die Stille der Nacht.
"Ich liebe dich doch, ich liebe dich, begreif das doch, ich liebe dich noch immer. Wir hatten noch so viel vor, so viel vor, ANDI WACH DOCH AUF, VERLAß MICH NICHT!"
"Ich liebe dich doch auch Lena", erwiderte Andi traurig, mit zittriger Stimme, doch sie konnte ihn nicht hören.
Er streichelte sie ansatzweise, er führte die Silhouette seiner Hand bis an ihre Wange und tat so als wenn er sie zärtlich berühren würde. Zwecklos, Lena spürte nichts, sie hörte ihn nicht, merkte nichts von der Anwesenheit seiner Seele.
"Komm Andi, halt durch, der Krankenwagen kommt bestimmt gleich. Bitte, halt durch, wir wollen doch noch so viel zusammen erleben, wir wollten nach meiner Schule weg ziehen, weißt du noch, du wolltest arbeiten und ich gehe studieren, weißt du das denn nicht mehr, ich wollte dich doch nicht wirklich verlassen, ich liebe dich doch, ich wollte doch zurück zu dir...".
Ihre Stimme wurde resignierend leiser bis sie verstummte. Andi war entsetzt, er beobachtete das alles, konnte sich aber nicht bemerkbar machen.
"Verdammt, VERDAMMT, VERDAMMT, warum tust du mir das an!!", schrie sie wütend und schlug kräftig auf Andis zurückgebliebene Körperhülle ein.
Endlich begriff sie, daß er tot ist.
Lena wurde still, sie beugte sich über seinen Kopf, ging mit ihrem Mund auf seine inzwischen schon blau angelaufenen Lippen und küßte ihn lange, ein letztes mal leidenschaftlich, streichelte ihn dabei zärtlich über seinen Oberkörper, bis sie sich schließlich von seinem Mund abwandte, ein Stück Stoff nahm, das Blut aus seinem Gesicht wischte und in einer verweilenden Umarmung auf ihn nieder sackte.
"Komm Andi es wird Zeit, du mußt jetzt mit mir kommen.", sagte die beruhigende Stimme.
"Mit dir, wieso, wohin?", fragte er verwirrt.
"Sie ist nicht mehr das zarte, schwache, zerrüttete Mädchen, das du kennengelernt hast. Sie ist jetzt stark genug, ist eine selbstbewußte Frau geworden, sie braucht dich nicht mehr. Deine Aufgabe ist erfüllt, und diese Situation wird sie nach dem ersten Schock noch stärker machen."
"Was für eine Aufgabe, wovon redest du?"
"Du wurdest nur für sie geboren, euer Zusammentreffen war kein Zufall, der Tag an dem ihr euch getroffen habt war vorherbestimmt."
"Was meinst du damit?"
"Deine Aufgabe auf Erden war sie zu lieben, ihr beizubringen was Liebe heißt, aus dem zerbrechlichen Mädchen eine starke Frau zu machen. Versteh doch, du wurdest geboren um sie zu lieben! Deine Aufgabe ist nun erfüllt, ihre Zukunft wird in anderen Händen liegen. Komm jetzt, verabschiede dich, auf dich warten neue Aufgaben!"
Der Regen hatte aufgehört und die ersten Sonnenstrahlen durchbrachen die traurige Dunkelheit der Nacht. Ein leichter Sog zog ihn nach oben, Angst löste sich in ein wohliges Gefühl auf. Er hob von der Erdoberfläche ab, stieg langsam auf, schaute dabei wehmütig nach unten und sah wie endlich der erste Krankenwagen eintraf. Lena lag noch immer an ihn gekuschelt. Die Pfleger nahmen sie vorsichtig bei Seite, wärmten sie mit einer Wolldecke und streiften Andis toter Hülle ein weißes Leintuch über. Die Sicht wurde immer geringer, die Figuren waren in dem leicht aufkommendem Nebel kaum noch zu erkennen, verschwammen. Eine letzte Träne kullerte aus seinem Auge, löste sich und traf Lena wie ein dicker Regentropfen auf die Nasenspitze. Sie schaute nach oben zu den dichten Wolken. Andi sah nur noch das leichte aufblitzen der Blaulichter von all den Polizei und Krankenwagen die inzwischen vor Ort waren, bis seine Seele völlig umhüllt von weißem Nebel in der Unendlichkeit verschwand.

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