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Kopierschutzmaßnahmen auf AudioCD möglicherweise illegal?

ThomasS / 10 Antworten / Baumansicht Nickles
Zur Strafbarkeit von Kopierschutzmaßnahmen auf Audio-CDs gemäß § 303a StGB

Überlegungen zur Anwendung entsprechender Techniken und deren Umgehung aus der Perspektive des EDV-Strafrechts

von Dr. Tarek Abdallah / Dr. Björn Gercke / Dr. Peter Reinert

II. Die strafrechtliche Relevanz von Kopierschutzmaßnahmen auf Audio-CDs

Die einseitige Sichtweise bezüglich der Gefährdung der Musikindustrie durch kopierte Audio-Dateien ist aber noch unter einem anderen Gesichtspunkt problematisch, der bislang – soweit ersichtlich – noch nicht diskutiert worden ist. Gemeint ist die Fragestellung, inwieweit die Musikindustrie bei ihrem Versuch, durch Installation von Kopierschutzvorrichtungen auf Musik-CDs die Anfertigung von Kopien zu unterbinden, übersieht, dass hierin möglicherweise ein strafbares Vorgehen liegt.

...nach beiden Ansichten ist von einer Verletzung des Nutzungsrechts eines Dritten spätestens dann auszugehen, wenn diesem ein gesetzlicher Anspruch auf den ungehinderten Zugang zu den Daten zusteht. Übertragen auf die vorliegende Problematik bedeutet dies, dass der Tatbestand des § 303a StGB zumindest dann erfüllt ist, wenn dem Erwerber einer Musik-CD ein Anspruch auf ungehinderte Nutzung der CD bzw. ein Recht auf Anfertigung einer oder mehrerer Kopien zusteht.

aa) § 53 UrhG – Nutzungsbefugnis im Sinne des § 303a StGB

Die Suche nach einem solchen Anspruch führt in das Urheberrecht, genauer zu der Vorschrift des § 53 UrhG. Mit dieser Vorschrift verbindet sich zum einen das Recht auf freien Werkgenuss. Hierunter ist die Möglichkeit des Erwerbers eines urheberrechtlich geschützten Werkes zu verstehen, das Werk beliebig oft und (hier von besonderem Interesse) in beliebiger Weise zu nutzen, solange es sich nur um eine Privatnutzung handelt. [43] Durch die Vereitelung der Nutzung einer CD in einem Computerlaufwerk mittels Kopierschutz wird jedoch genau diese (eigentümerähnliche) Rechtsposition unterlaufen, da eine beliebige Nutzung der auf der CD befindlichen Daten seitens des Käufers gerade nicht mehr gewährleistet ist.

c) Das Unterdrücken von Daten als maßgebliche Tathandlung

...Liegt somit im Hinblick auf die vorliegende Thematik ein entsprechendes Nutzungsrecht des Käufers von Audio-CDs vor, dann bedarf es noch der Überprüfung, ob die Funktionsweise von Kopierschutzvorrichtungen auf Audio-CDs letztlich auch eine im Sinne des § 303a StGB taugliche Tathandlung darstellt. Insoweit ist der Schutzbereich der Norm – den Motiven des Gesetzgebers entsprechend – weit gefasst. Vorliegend kommt die Tatbestandsvariante des Unterdrückens in Betracht. Hierunter fällt das (gegebenenfalls nur zeitweise) Entziehen der Daten aus dem Zugriff des Berechtigten, der hierdurch die Daten nicht mehr verwenden kann. Auf die Art der Entziehung kommt es nicht an. [56] Es wurde bereits im Rahmen der Schilderung der Funktionsweise dargestellt, dass der Zugriff auf die Audio-Daten der CD zumindest im Falle der Nutzung in einem Computerlaufwerk vereitelt wird. Damit ist der objektive Tatbestand erfüllt.

...Jedoch wird man das Eingreifen von – gesetzlich verankerten oder gewohnheitsrechtlich anerkannten – Rechtfertigungsgründen zugunsten der Kopierschutzverwendung verneinen müssen. Das Urhebergesetz selbst enthält – auch in seiner künftigen Ausgestaltung – keine Erlaubnistatbestände, die die Rechtswidrigkeit der Datenunterdrückung beseitigen könnten. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die neue Vorschrift des § 95a UrhG, die keine Erlaubnis-, sondern eine Verbotsnorm im Hinblick auf die Umgehung technischer Schutzvorrichtungen ist. Zudem muß die Vorschrift auch an dieser Stelle in Zusammenhang mit den Rechten der CD-Käufer aus § 53 UrhG gesehen werden, der seinerseits – wie aufgezeigt – das Recht auf freien Werkgenuß bzw. Privatkopie manifestiert. Der Regelungsgehalt des Urheberrechts ist also – nicht zuletzt ob seiner widersprüchlichen Ausgestaltung – nicht geeignet, die Installation von Kopierschutztechniken zu rechtfertigen.

Im Ergebnis lässt sich somit die eingangs aufgeworfene Überlegung bestätigen: Die Anwendung der aktuellen Kopierschutzmaßnahmen auf Audio-CDs wird durch den Straftatbestand der Datenveränderung des § 303a StGB erfasst.

In Zusammenhang mit der Anwendung der sonstigen in Betracht kommenden Erlaubnisnormen [60] gilt es vor allem zu berücksichtigen, dass diese stets eine Not- bzw. Gefahrenlage voraussetzten. Genau dieses Erfordernis ist jedoch im Hinblick auf die vorliegende Thematik das Problem. Bereits eingangs wurde aufgezeigt, dass entsprechende Kopierschutzmaßnahmen schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt effektiv werden, nämlich schon mit Einlegen der CD in ein entsprechendes Laufwerk. Zu diesem Zeitpunkt unterbindet die Funktionsweise von Kopierschutzvorrichtungen schon die Möglichkeit des Käufers einer Audio-CD, von seinem Recht auf freien Werkgenuss bzw. Recht auf Privatkopie Gebrauch zu machen. M.a.W.: Die Kopierschutzvorrichtungen werden schon dann aktiv, wenn überhaupt keine Not- oder Gefahrensituation vorliegt, es also an einem rechtswidrigen Angriff auf die Rechtsgüter des Urheberrechtsinhabers fehlt. [61]

Zwar hat der Gesetzgeber davon abgesehen, die Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen zum eigenen, privaten Gebrauch in §§ 108b, 111a UrhG darüber hinaus unter Strafe zu stellen.

Der Käufer einer Audio-CD, der sich durch die Funktionsweise der Kopierschutztechniken einem strafbaren Verhalten ausgesetzt sieht, muss sich aus strafrechtlicher Sicht nicht duldend verhalten, sondern kann seinerseits unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtfertigungsgründe diesen rechtswidrigen Zustand beheben.Wenn aber wiederum die Umgehung des Kopierschutzes gerechtfertigt ist, dann fragt es sich, inwieweit hierin ein widerrechtliches Verhalten liegen kann, dass Bedingung für zivilrechtliche Schadenersatz- oder Unterlassungsansprüche ist. Insoweit gilt es das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung [72] zu berücksichtigen, aufgrund dessen (strafrechtliche) Rechtfertigungsgründe auch in Zusammenhang mit zivilrechtlichen Schadens- und Unterlassungsansprüchen zu berücksichtigen sind und derartige Ansprüche gegen den Nutzer privater Kopien nicht entstehen lassen.


Hier noch der Link zum vollständigen Text: "http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/03-07/index.php3?seite=6"
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Emily22 ThomasS „Kopierschutzmaßnahmen auf AudioCD möglicherweise illegal?“
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Alles nur Theorie. Welcher Käufer einer nachher nicht funktionierenden Audio-CD kann und will sich denn dchon ein Verfahren gegen die allmächtige Musikindustrie leisten...?
Obwohl m.E. auch Betrug vorliegt, schliesslich wird wissentlich eine nicht funktionierende Ware verkauft.

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GarfTermy ThomasS „Kopierschutzmaßnahmen auf AudioCD möglicherweise illegal?“
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das ist sicher ein sehr interessanter standpunkt. leider wird das ganze aber davon abhängen, wie einzelne gerichte darüber entscheiden.

...und vor gericht und auf hoher see bist du in gottes hand...

;-)

The two basic principles of Windows system administration: For minor problems, reboot For major problems, reinstall
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ThomasS Nachtrag zu: „Kopierschutzmaßnahmen auf AudioCD möglicherweise illegal?“
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"...und vor gericht und auf hoher see bist du in gottes hand..."

Schön gesagt, stellt sich die Frage wer in dem Fall Gott ist? ;-)

@ Emily, klar wird wohl kein armer Käufer von sich aus gegen eine Wirtschaftsmacht mit Gewinnen im milliarden US-Dollar Bereich eine Klage anstreben!

Aber diese Analyse zeigt doch, dass eben diese Geselschaftsgruppe (Medienindustrie) sich einen Dreck um geltendes Recht schert, und bestätigt meine eigenen Überlegungen das hier intensiv daran gearbeitet wird, Recht zu missbrauchen und in Ihrem Sinne zu verbiegen.
Stichwort, gesetzlich geregelte Profitmaximierung.

Umso wichtiger immerwieder darauf aufmerksam zu machen, Aufklärungsarbeit betreiben!

Grüsse, ThomasS
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Olaf19 ThomasS „ ...und vor gericht und auf hoher see bist du in gottes hand... Schön gesagt,...“
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Hi Thomas,

prima dass du das gepostet hast, das ist wirklich sehr aufschlussreich. Mal sehen, ob das Folgen für die Praxis hat; eins ist mal sicher: Je aufgeklärter der Verbraucher, desto eher besteht die Möglichkeit, Druck auf die Industrie auszuüben.

Übrigens, ein Passus ist mir nicht so ganz klar:

Zu diesem Zeitpunkt unterbindet die Funktionsweise von Kopierschutzvorrichtungen schon die Möglichkeit des Käufers einer Audio-CD, von seinem Recht auf freien Werkgenuss bzw. Recht auf Privatkopie Gebrauch zu machen.

Recht auf freien Werkgenuss - das leuchtet ein, dafür hat der Käufer schließlich bezahlt. Kopierschutz ist nichts anderes als eine Art Abspielschutz, damit wird die legale Nutzung des Mediums empfindlich beschnitten. So weit klar.

Aber was meinen die mit "Recht auf Privatkopie"? Ein solches Recht gibt es doch nicht und hat es auch nie gegeben? Privatkopien sind zwar nicht ausdrücklich verboten, solange man keinen Kopierschutz umgeht - aber ein (womöglich noch einklagbares) "Recht" darauf hat man deswegen noch lange nicht.

CU
Olaf

Die Welt ist ein Jammertal ohne Musik. Doch zum Glueck gab es Bach, Beethoven, Haendel und Goethe (Helge Schneider)
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ThomasS Olaf19 „Hi Thomas, prima dass du das gepostet hast, das ist wirklich sehr...“
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Hi Olaf,

Ich denke damit ist im Zusammenhang mit "Recht auf freien Werkgenuss" gemeint, dass man z.B. seine Musik-Files selbstverständlich auch auf portablen Medien wie MP3-Player oder Notebooks nutzen darf.
Dazu müssen die Files zwangsläufig kopiert werden können, was ja auch geschieht, wenn man sie in andere Vormate, MP3, ogg, u.s.w., konvertiert.
Das leitet sich eben genau aus diesem "Recht auf freien Werkgenuss" einfach als logischer Schluss ab.

Grüsse, ThomasS

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Olaf19 ThomasS „Hi Olaf, Ich denke damit ist im Zusammenhang mit Recht auf freien Werkgenuss...“
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Okay - wenn das so gemeint ist, dass der "freie" Werkgenuss beinhaltet, dass man Kopien auf andere Medientypen machen können muss, dann ergibt das natürlich Sinn. Mich hatte die Formulierung nur gewundert, weil bei Diskussionen zu diesem Thema bislang immer mehr oder weniger vehement in Abrede gestellt worden ist, dass es ein Recht auf Privatkopie gibt.

Alles in allem ein sehr erfreulicher Thread... anscheinend sind die berechtigten(!) Verbraucherinteressen in der Justiz doch noch nicht ganz aus dem Blickfeld geraten. Jetzt müsste nur noch die Politik ein übriges tun.

CU
Olaf

Die Welt ist ein Jammertal ohne Musik. Doch zum Glueck gab es Bach, Beethoven, Haendel und Goethe (Helge Schneider)
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ThomasS Olaf19 „Okay - wenn das so gemeint ist, dass der freie Werkgenuss beinhaltet, dass man...“
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"... anscheinend sind die berechtigten(!) Verbraucherinteressen in der Justiz doch noch nicht ganz aus dem Blickfeld geraten."

Das zeigt doch auch der Thread von King Heinz-> "klick"

Auch die Politik kann sich mal verirren, deswegen haben wir ja eine Gewaltenteilung in der Verfassung verankert.

Grüsse, ThomasS
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Aide Olaf19 „Okay - wenn das so gemeint ist, dass der freie Werkgenuss beinhaltet, dass man...“
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RECHT auf Privatkopie,
Olaf, Du machst hier einen kleinen Fehler (hat aber auch euer geliebter Bundeskanzler schon mal gemacht), Du betrachtest nur das geschriebene Recht, aber es gibt und zählt auch das gesprochene Recht, welches das Recht auf eine Privatkopie durchaus kennt. Das neue UrhG kennt dieses Recht freilich nicht. Außerdem will der Mann mit den nicht gefärbten Haaren ja auch jedes private Kopierecht, egal ob dabei wirksame technische Maßnahmen umgangen werden müssen oder nur eine Buchseite zu rein privaten Nutzen einmal auf den Kopierer gelegt wird, verbieten und unter Strafe stellen. Eben typischer volksvertretender Sozialdemokrat!

Wäre aber schön, wenn die Verfasser des TOP-Artikels ein wenig auf UrhG § 95a Wirksame technische Maßnahmen eingegangen wäre.

Zu dem Gesamtthema empfehlenswert:internetfallen.de/Urheberrecht.
AideÄTgmx.dewird nur sporadisch abgerufen
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Olaf19 Aide „RECHT auf Privatkopie, Olaf, Du machst hier einen kleinen Fehler hat aber auch...“
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Damit das klar ist: Mein geliebter Bundeskanzler ist der ganz bestimmt nicht ;-) Dieser selbstgefällige Dauergrinser wandelt schon bedenklich in den Fußstapfen seines dickfelligen Vorgängers... diese Leute sind so abgehoben, die wissen gar nicht, wo die Leute wirklich der Schuh drückt :-(

Dein Hinweis auf Diskrepanzen zwischen geschriebenem und gesprochenem Recht hat mich überzeugt... so etwas soll es öfter mal geben. Ein Arbeitskollege erzählte neulich, laut eines Gerichtsurteils kann man sich sogar von der GEZ befreien lassen, obwohl man einen Fernseher besitzt - dann nämlich wenn man ein Gerät einsetzt, dass den Empfang der Öffentlich-Rechtlichen effektiv verhindert. Auch das wäre eine klare Abweichung vom Wortlaut des Rundfunkrechts, denn da steht ja klipp und klar, dass jeder zahlen muss, der in welcher Form auch immer irgendeinen TV-/Rundfunksender empfängt.

CU
Olaf

Die Welt ist ein Jammertal ohne Musik. Doch zum Glueck gab es Bach, Beethoven, Haendel und Goethe (Helge Schneider)
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Tilo Nachdenklich ThomasS „Kopierschutzmaßnahmen auf AudioCD möglicherweise illegal?“
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Die Fehlerkorrektur einer CD soll ja dem natürlichen Alterungsprozess entgegenwirken. Ein Kopierschutz, der die Fehlerkorrektur verhindert, ist eine kulturelle Schande. Es ist wirklich sehr die Frage, ob unter dem Strich der Musikindustrie durchs Kopieren ein Schaden entsteht, denn die Leute kopieren und kaufen trotzdem CDs!!
Aber die Musikindustrie hat unter willkommenen Vorwand die CD mit eingebautem Verschleiß durchgesetzt.
Das ist doch der Nachtteil der CD aus Sicht des Kaufmanns:
Die Schallplatte klang mit der Zeit immer schlechter und gerade im Klassikbereich haben Liebhaber immer wieder mal ne neue Version ihrer knisternden Lieblingsmusikstücke gekauft. Oft für viel Geld, weil es die Aufnahmen nur in speziellen Cassetten mit mehreren LPs zu Horrorpreisen gab. Ein risikoloses kalkulierbares Geschäft. Im Gegensatz zur Langspielplatte, die halt immer mehr knistert, wird die CD irgendwann Knall auf Fall den Dienst verweigern.

Natürlich ist das Datenveränderung, was den sonst? Aus niederen Beweggründen und Dummheit...so ist meine Meinung. Und es ist ne indirekte Aufforderung zum illegalen Kopieren.

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