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Käuferrechte bei Reklamationen - oft verkannt!

dl7awl / 2 Antworten / Baumansicht Nickles

Hallo,

hier mal einige allgemeine Gedanken zu einem weit verbreiteten Missverständnis.

Jeder kennt es: Man kauft beim Lebensmitteldiscounter ein Gerät und erhält lädierte Retourenware, die schon mal ausgiebig in Gebrauch war. Man bietet bei Ebay auf einen vollmundig als neu, professionell und wunderbar dargestellten Artikel und erhält einen Schrotthaufen. Nur zwei Beispiele von vielen, wo dann oft vom Verkäufer eine "unbürokratische" Rücknahme und Kaufpreiserstattung angeboten wird, die - immerhin - vor größerem Schaden bewahrt. Wir sind Weltmeister im Umtauschen und Zurückgeben geworden.

Aber ist die Rückabwicklung wirklich immer der Königsweg? Immerhin zeigt ja gerade das erste Beispiel, dass durch die scheinbar so verbraucherfreundliche "Rücknahmekultur" nicht nur Probleme behoben, sondern auch ganz neue geschaffen werden. Und auch der unseriöse Ebay-Verkäufer erhält dadurch die Möglichkeit, den Gegenstand erneut einzustellen und weiter auf Dummenfang zu gehen... Sollte man das alles unterstützen, indem man "mitspielt"?

Bei näherer Überlegung wird schnell klar, dass die Rückabwicklung letztlich den Käufer benachteiligt und hauptsächlich für den Verkäufer bequem ist - leichter kann er sich im Falle von Schwierigkeiten nicht seiner vertraglichen Pflichten entledigen. Den zusätzlichen Aufwand hat ziemlich einseitig der Kunde, der letztlich mit leeren Händen dasteht: "außer Spesen nichts gewesen."

Oftmals glauben beide Seiten, dass das juristisch in Ordnung und ohne Alternative sei: der Verkäufer wähnt sich auf der sicheren Seite, und der Käufer glaubt, mehr als eine Rücknahme könne er nicht verlangen, ja hält sie vielleicht sogar für ein besonderes Entgegenkommen. BEIDES FALSCH!

Da scheint es an der Zeit, einmal einen ehernen juristischen Grundsatz des Vertragsrechts in Erinnerung zu rufen: Pacta sunt servanda - zu deutsch: Verträge sind einzuhalten. Punkt.
Eigentlich auch logisch. Was wäre der Sinn von Verträgen, wenn sich da bei Schwierigkeiten jeder einseitig rauswinden könnte?

(Übrigens: "Verträge" müssen keine Schriftstücke sein! Ein Vertrag kommt auch zustande, wenn es sich aus den Umständen und dem schlüssigen Verhalten der Parteien - z.B. Angebot und Annahme - ergibt!)

Praktisch bedeutet das: der Käufer hat zuerst und vor allem anderen Anspruch auf Erfüllung des zustande gekommenen Kaufvertrages, und der Verkäufer ist ohne Wenn und Aber an den Vertrag gebunden. Erfüllung ist rechtlich gesehen der Normalfall, den im Zweifel jede Seite gegen die andere durchsetzen kann.

Eine Rückabwicklung ist hingegen eine Abweichung vom vertraglich bekundeten Willen beider Seiten und kann deshalb nur einvernehmlich geschehen. Der Käufer ist nicht verpflichtet, sich darauf einzulassen, wenn er das aus irgendwelchen Gründen nicht möchte. Er kann auf Erfüllung bestehen. Ist eine solche aus irgendwelchen Gründen nicht direkt möglich, z.B. weil der Verkäufer entgegen dem Angebot gar keinen einwandfreien Artikel verfügbar hat, hat der Käufer Anspruch auf Schadenersatz. Zum Beispiel in Form einer Rückerstattung, die die Differenz zwischen beworbenem und tatsächlichem Wert ausgleicht ("Minderung"). Oder Übernahme der Mehrkosten, die bei der anderweitigen Beschaffung eines angebotsentsprechenden Artikels ("Ersatzvornahme") anfallen. Der letztgenannte Weg beinhaltet natürlich auch eine Rückgabe des Kaufgegenstandes, macht aber deutlich, dass die Ansprüche des Käufers unter Umständen den ursprünglich gezahlten Kaufpreis - und damit das, was er bei bloßer Rückgabe erhalten würde - durchaus deutlich übersteigen können. (Natürlich darf er aber eine Ersatzvornahme nicht "extra teuer" und auch nicht unangekündigt vornehmen.)

Ich habe mich auch an anderer Stelle mit dem Thema auseinandergesetzt und dort auch einige gewichtige Gründe aufgezählt, die dafür sprechen, auf Erfüllung zu bestehen und sich nicht mit einer Rücknahme abspeisen zu lassen: http://forums.ebay.de/thread.jspa?threadID=200196585

Auf die praktischen Probleme bei der Durchsetzung eines Vertrages (Beweisfragen, Ermittlung des tatsächlichen Wertes, Mahnungen, Fristen usw.) kann ich hier nicht eingehen. Je nach Einzelfall mag eine Rückabwicklung dann doch das kleinere Übel sein, auf das man sich als Käufer zähneknirschend einlässt, insbesondere bei geringwertigen Gegenständen. Und wie gesagt, wenn sich beide einig sind, spricht ja auch nichts dagegen.

Ich hoffe aber aufgezeigt zu haben, dass eine Rückabwicklung für den Käufer nicht unbedingt der beste und schon gar nicht der einzig mögliche Weg ist! Je nach Sachlage kann es sich erheblich lohnen, auf Erfüllung zu bestehen! Man wird die Gerichte dabei im Prinzip immer auf seiner Seite haben, denn am Wesen und Bestand eines Vertrages ist nicht zu rütteln.

(Alle Infos ohne Gewähr - IANAL)

MfG Manfred

P.S.: Die Automatik der Forensoftware hat offensichtlich auf das Reizwort "Ebay" reagiert und ziemlich kurzsichtig einen entsprechenden Grafik-Aufmacher ausgewählt. Kann man das noch ändern? Es geht hier nicht primär und ausschließlich um Ebay - das Thema ist allgemeingültig!

[Diese Nachricht wurde nachträglich bearbeitet.]

Tilo Nachdenklich dl7awl „Käuferrechte bei Reklamationen - oft verkannt!“
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Und der pragmatische Weg?

Auf Erfüllung bestehen kann aber ein äußerst aufwändiger Weg sein. Rückgabe und Rückabwicklung ist für den Versandhandel nun mal ein notwendiger "Reparaturpfad" für misslungene oder nicht ganz astreine Geschäfte. Insbesondere hat der Kunde die reale Ware vorher nicht gesehen oder vielleicht auf einem geschönten Foto, mit einer geschönten Beschreibung.

Solange die Ware einen neuwertigen Eindruck hinterlässt, alles vollständig ist usw. kümmere ich mich nicht weiter drum. Und mir ist die Rückgabemöglichkeit - etwa bei Media Markt - viel wichtiger. Ich sehe da einfach bei diesen komplizierten technischen Kram, bei dem man sich leicht mal vergallopieren kann den größeren Nutzen. Das Problem haben wohl eher die Verkäufer im Laden, die versuchen müssen alles wieder passend in die genialen Verpackungen zu zwängen. Was immer ich auspacke, ich versuche die Verpackung möglichst zerstörungsfrei zu behandeln und merke mir wie die Sachen zusammengesteckt waren.

Ärgerlich:
Es gibt auch eine Schattenseite. Montagsgeräte, unbrauchbare Konstruktionen werden immer wieder auf die Reise geschickt, bis sie nun überhaupt nicht mehr präsentabel sind.

holleberlin dl7awl „Käuferrechte bei Reklamationen - oft verkannt!“
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verstehe den sinn deines beitrags nicht...dass man auf erfüllung bestehen kann, dürfte wohl jeder wissen, ohne auch nur das 1. semester bgb hinter sich zu bringen.

- ein großteil der kunden verwendet den widerruf bzw. die rückgabe aus dem vorgesehenen grund :der artikel gefällt ihnen schlicht nicht.

- diejenigen, auf die dein beispiel mit der fehlerhaften ware passt, gehen 2 verschiedene wege : -ihr vertrauen ist so zerstört, dass sie die rückgabe wählen....und die übrigen bestehen auf neulieferung.

ich weiß also beim besten willen nicht,wem du jetzt wirklich weiterhelfen kannst/willst.