Nicht gerade sehr differenziert Ihr Statement zu der Rundfunkbeitrags-Demo-Ankündigung.
Weshalb sollte sich Frau Baumert von den Reichsdeppen verheizen lassen? Tut sie das? Haben Sie Belege dafür? Rundfunkbeitragsgegner = Reichsdeppen?
Leider wurden nie Statistiken über die Anzahl der Nichtnutzer des ÖRR erhoben.
Vermutlich nicht, weil es für den ÖRR extrem kontraproduktiv sein könnte. Sieglinde Baumert ist eine überzeugte Nichtnutzerin, besitzt weder TV , noch Radio. Sie werden nun sagen: aber vermutlich Internet.
Dann darf man sich einmal fragen, weshalb D in der EU das einzige Land ist, in dem internetfähige/PCs bzw. Smartphones zur Anknüpfung an die damalige Rundfunkgebühr herangezogen wurde. In Österreich und Schweden wurde dies zwar versucht, jedoch von den dortigen höchsten Gerichten als rechtswidrig angesehen. Eine diesbezügliche Rechtssprechung des BVerfG liegt leider (noch?) nicht vor.
Wieso ich das bringe? Wir haben doch eine Wohnungsabgabe!Ganz einfach: falls die Anknüpfung des Rundfunkbeitrag an die Wohnung fällt, und das wird sie vermutlich, wird diese Diskussion wieder aktuell werden.
Man darf sich zudem fragen, weshalb einige essenzielle Forderungen in dem von der ÖRR in Auftrag gegebenen Gutachten des früheren Verfassungsrichters Paul Kirchhofs, welches als Grundlage der Rundfunkbeitragsstaatsverträge diente:- Möglichkeit der Widerlegbarkeit der Regelvermutung der ÖRR-Nutzung, also eine opt-out-Möglichkeit für Nichtnutzer
- Abschaffung des Beitrags für Zweitwohnungen
- Werbe-/Sponsoringfreiheit
Das Gutachten finden Sie übrigens online.
8,34 Milliarden Euro Einnahmen im Jahr 2014 durch den Rundfunkbeitrag. Annähernd 2 Milliarden Euro mehr, als im Jahr zuvor. Und das alleine durch die Umstellung auf den neuen Rundfunkbeitrag und trotz vorheriger Versicherung, dass nach deren Berechnung es keine Mehreinnahmen geben würde. Das einmal nebenbei erwähnt. Die Gelder wurden ürigens nicht rückerstattet, sonder auf einem Sperrkonto angelegt, an das die ÖRR ran wollen und auch kommen werden.
Zurück zur rechtlichen Seite. Sie haben Prof. Koblenzer gegooglet. schön. Sie haben einen Bericht verlinkt, der ihn als "kreativen Steuergestalter" bezeichnet. Dazu muss er das Steuerrecht gut kennen und er verteidigte die Aussage, dass der Rundfunkbeitrag faktisch eine Steuer sei vor dem Bundesverwaltungsgericht im Juni diesen Jahres. Er ist übrigens nicht der einzige Jurist mit dieser Meinung (siehe unten). Das BVerwG hatte im März und Juni 2016 über 20 Klagen von privaten Klägern gegen den Rundfunkbeitrag "abgebügelt". Darunter eben auch das Steuer-Argument. Es sei alles VERFASSUNGSKONTFORM - so der Schluss des BundesVERWALTUNGSgerichts. Es sind übrigens inzwischen mehrere Verfassungsbeschwerden diesbezüglich in Karlsruhe eingereicht worden (u.a. von RA Bölck).
Weshalb Sie nun Prof. Koblenzer mit ihrem Link auf den Handelsblatt-Artikel in ein schlechtes Licht rücken wollen, ist mir zweifelhaft. In dem Artikel geht es um etwas ganz anderes.
Die vor dem BVerwG "abgebügelten" Revisionsverhandlungen sind übrigens die Essenz von über 10.000 unisono abgebügelten Klagen an den Verwaltungsgerichten. Schon allein dies gibt zu denken.
Weiter im Recht:
- K. Winkler - Der Rundfunkbeitrag im Konflikt mit der Verfassung (Kommunikation und Recht (K&R) 7/8 2016)
- M. Pagenkopf - Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe (Neue Juristische Wochenschrift 35/2016)
- K. Meßerschmidt - Rundfunkbeitragsrechtsprechung als Herausforderung des Abgabenrechts (Die Öffentliche Verwaltung (DÖV) Heft 7, April 2016)
- M. Libertus - Verfassungsrechtliche Zulässigkeit und Grenzen einer Zweckbindung von Rundfunkbeiträgen (Kommunikation und Recht (K&R) 4 2016)
Allesamt mit dem Tenor der Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags
Vier juristische Abhandlungen, alle aus 2016, die Sie, falls sie denn wirklich in die Materie einsteigen wollen und nicht nur populistisch gegen Rundfunkbeitragsgegner wettern wollen, zu Gemüte führen sollten.
Lediglich ein Zitat, das Fazit der Abhandlung von Dr. Winkler:
" Die Einführung des Rundfunkbeitrags ist ein rechtstaatliches Debakel. Die Akzeptanz der Finanzierung und des Bestands des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Bevölkerung hat stark gelitten. In Anbetracht der hier dargestellten verfassungsrechtlichen Zweifelsfragen muss die Homogenität der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung verwundern. Auch das Urteil des BVerwG kann nicht überzeugen.
Es bleibt zu hoffen, dass das BVerfG die Gelegenheit wahrnimmt, die grundgesetzliche Einordnung des Rundfunkbeitrags zu korrigieren. Ohne Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechungslinie wird das Verfassungsgericht die Rechtmäßigkeit des Rundfunkbeitrags nicht feststellen können. Gleichwohl darf man davon ausgehen, dass es einen Weg suchen wird, den Rundfunkbeitrag wenigstens in Bezug auf die Vergangenheit weitestgehend zu retten. Dabei wird allerdings nach hiesigem Verständnis der Grundrechtsauslegung die Anpassung des Rundfunkbeitrags an eine personen- und gerätebezogene Abgabenlast geboten sein."
Ich denke, das kann man einmal so stehen lassen.
Besorgen Sie sich auch die anderen lesenswerten Abhandlungen. Prof. Pagenkopf ist übrigens ein ehemaliger Richter des BVerwG. Wollen Sie auch diese Juristen mit einfachen Links zu Zeitungsartikeln diskreditieren? Versuchen Sie es.
Mit Ihrem Statement, zur TTIP-Demo zu gehen, bin ich einverstanden. Das eine schliesst das andere jedoch nicht aus.